Haushaltsrede zur StVV am 13.12.2018
Es gilt das gesprochene Wort
Werte Kolleginnen und Kollegen,
ich beginne wie immer mit einem kurzen Rückblick auf das hinter uns liegende Jahr.
Eigentlich sind wir in Dillenburg zwischenzeitlich auf einem guten Weg: Unser horrenden Schulden beginnen langsam abzuschmelzen, das Landgestüt bleibt uns – wenn auch in abgespeckter Form – erhalten, und auch in Sachen Innenstadtentwicklung sind wir dank heimischer Investoren, die das ehemalige AKA-Gebäude und die ehemalige Druckerei Weidenbach mit Sanierung und Neubau von Wohnungen und Flächen für Dienstleistungen aufwerten – auf einem guten Weg.
Aber das Ganze passiert leider nicht aufgrund, sondern trotz der Ihrer Mehrheitspolitik in unserer Stadtverordnetenversammlung.
Mit gewohnt großen Worten hat 1. Stadträtin Fuhrländer den Haushaltsentwurf für 2019 in das Stadtparlament eingebracht und die Vorteile verkündet: Wie in den vergangenen Jahren soll im Ergebnishaushalt ein Überschuss erwirtschaftet werden. Sollte das so eintreffen, wäre das in der Tat positiv und hört sich erst einmal gut an. Aber nur bei oberflächlicher Betrachtung.
Keine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in Sicht
Schauen wir hinter die Zahlen, so stellen wir fest, dass dieses Ziel nach wie vor mit massiv hohen Belastungen der Bürgerinnen und Bürger – aber auch der Unternehmen – bitter erkauft ist: und zwar mit in den letzten Jahren massiven Gebühren- und Steuererhöhungen, insbesondere der Grundsteuern A und B. Da ändert auch die von der CDU beantragte, eher als kleiner symbolischer Akt oder kosmetische Korrektur anzusehende, 10-prozentige Senkung der Grundsteuern nicht wirklich etwas dran.
Mit der Entschuldungshilfe aus dem Schutzschirm und der neuen Vorgabe der Hessenkasse ist die Mehrheit in diesem Haus endlich gezwungen, sich nach der Decke zu strecken. Endlich dürfen Sie nicht mehr wie in der Vergangenheit mit den Kassenkrediten ‚rumaasen‘ – und können nicht immer wieder auf Pump die eigene Klientel mit superteuren Wahlkampf-Geschenken bedenken. So meint man zumindest.
Kaum glaubt man aber, aus dem Gröbsten heraus zu sein, erreicht die Begehrlichkeit neue Höchststände:
Dillenburgs Innenstadt – als Ziel möglicher terroristischer Angriffe – wird – wie von der Mehrheit vorhin beschlossen – mit Pollern für 350.000 Euro gesichert werden.
Die Kosten für die Neugestaltung des DGH-Parkplatzes in Donsbach in Höhe einer Viertel Million Euro bleiben – auch bei Splitting der Kosten auf zwei Jahre – ein Ärgernis; bloßes schottern hätte es hier sicher auch getan.
Aber das sind nur ‚peanuts‘ im Vergleich zu den beiden Themen, die im ablaufenden Jahr wieder einmal die Dillenburger Themenpalette bestimmt haben: das so genannte „Fachmarktzentrum“ am Aquarena-Bad, und der von der Mehrheit des Hauses gewünschte Neubau einer Stadthalle für Dillenburg.
Wieder einmal haben diese zwei Projekte viele andere, für Dillenburg wichtige Themen an die Seite gedrängt, und bestimmen leider auch den Haushaltsentwurf für 2019.
‚Fachmarktzentrum‘ als Sargnagel für die Innenstadt
Wichtig wäre gewesen, die immer öder werdende Innenstadt zu beleben. Und was haben Sie gemacht? Sie haben am äußersten Rand der Innenstadt eine Fläche für ein so genanntes ‚Fachmarktzentrum‘ mit eher zweifelhaftem Nutzen geschaffen – und damit ein Karussell von millionenteuren Verlagerungen ausgelöst: Stadionumbau, Verlagerung des Wertstoffhofes und Umbau des Knotens an der Obertorbrücke seien hier nur Beispielhaft genannt.
Aber: mit diesem ‚Einkaufszentrum‘ werden keine wirklich neuen, attraktiven Sortimente nach Dillenburg kommen, die wir nicht sowieso in kriechbarer Entfernung bereits im Überfluss hätten.
Mit dem zusätzlichen Vollsortimenter Tegut in Sichtweite zu dem jetzt schon großen REWE-Markt werden wir jedenfalls keine neuen Kunden nach Dillenburg locken, sondern bestenfalls welche verlagern.
Schlimmer noch: Einige der wenigen verbliebenen Geschäfte – NKD und das Sanitätshaus Schäfer – ziehen aus der Innenstadt weg an die Peripherie – und das bedeutet wieder zusätzlichen Leerstand, wieder verödet die Innenstadt ein Stückchen mehr…
Bürgermeister hält wichtige Informationen zurück
Und wir wundern uns auch über die Vorgehensweise: Im Januar und Juni wurde die Bauleitplanung und der städtebauliche Vertrag zum Fachmarktzentrum zusammen mit all den für die Stadt kostenintensiven Verlagerungen und Änderungen mit vorgeschobenem Zeitdruck durchgezogen.
Nur noch staunend den Kopf schütteln konnten wir, als dann das CIMA-Gutachten zur Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts für Dillenburg vorgelegt wurde, das die Ansiedlung weiterer Verkaufsflächen durchaus kritisch bewertet: Erstellt im Januar und der Stadt zugestellt im Februar, präsentiert aber erst im späten August – lange nach der Beschlussfassung zum Fachmarktzentrum.
Und im Oktober dann die Verträglichkeitsuntersuchung der CIMA zu massiven Erweiterungsplänen des PETZ/REWE-Marktes. Auch diese Untersuchung lag der Stadt schon im März vor. Und auch sie wurde von Bürgermeister Lotz offensichtlich bewusst zurückgehalten, um das CDU-Projekt am Stadion vorher in trockene Tücher zu bringen.
Denn mit dem Wissen um die Erweiterungspläne des Petz-Marktes wäre bei dem einen oder der anderen Stadtverordneten die Entscheidung zum sogenannten Fachmarktzentrum sicher anders ausgefallen. Der Bürgermeister hat uns als politischem Souverän damit wieder einmal wichtige Informationen vorenthalten, hat uns damit quasi ausgebremst und am Nasenring durch die Arena geführt…
Stillstand bei Bebauung des Maibach-Areals
Und was ist eigentlich mit der geplanten Bebauung des Maibach-Geländes? Das war schließlich das ursprüngliche Projekt der Fa. Lauber, mit dem sie sich in Dillenburg einbringen – und die Attraktivität der Innenstadt steigern – wollte: Ein Lebensmittelmarkt wurde versprochen, und zudem attraktive Wohnbebauung. Offensichtlich war das aber nur der Türöffner für die eigentlichen Pläne der Ansiedlung eines Billigladen-Zentrums am Stadion. Dafür haben sie einige andere Bewerber rausgekickt, haben sie um die Chance gebracht, auch an dieser zentralen Stelle die Innenstadt wieder zu beleben.
Und das für ein Einkaufszentrum, das schon lange keines mehr ist: außer der Zusage eines großen Lebensmittel-Vollsortimenters – der dritte in der Kernstadt – ist beim Kehraus nur noch ein fader Abklatsch an Billigläden von den großen Versprechungen übriggeblieben – und zwar genau so, wie wir das im vergangenen Jahr bereits kritisiert haben.
Stadthalle bringt Schulden auf Stand vor Rettungsschirm
Kommen wir zu dem Einschneidendsten aller Finanzthemen: Der Dillenburger Stadthalle.
Seit gut 10 Jahren beschäftigen wir uns nun schon mit der Frage, wie es mit der Stadthalle weitergehen soll. Und auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen zugeben, dass hier immer noch kein stringenter Plan zu erkennen ist.
Bürgermeister Lotz hat die Nutzung der Stadthalle 2015 untersagt, und sie ohne äußeren Zwang geschlossen.
Bis heute ist nicht beantwortet, ob und in welchem Maße eine Nutzung der Stadthalle – eventuell unter Einschränkungen und mit Auflagen – nicht doch weiter möglich wäre: Schließlich ist sie ja nicht einsturzgefährdet oder baufällig.
Aber gut, gehen wir einfach davon aus, dass die bauliche Brandsicherheit so nicht gegeben ist und wir sanieren müssen. Dann kommen wir laut den Berechnungen des Ingenieurbüros Engelhardt und Weese auf 3,8 Millionen Euro. Eine Summe, die schon schwer genug aufzubringen wäre für unsere nicht gerade auf Goldtöpfen sitzende Stadt.
Es ist natürlich auch berechtigt zu fragen, was im Vergleich dazu eine komplette Sanierung – oder gar ein Neubau – kosten würde. Hier könnte es ja durchaus so sein, dass die Kosten nur geringfügig höher wären, und man durch eine überschaubare Mehrbelastung eine Neubau-Substanz bekommen würde.
Aber wir wissen zwischenzeitlich, dass dem nicht so ist: 7,3 Millionen kostet laut der Partnerschaft Deutschland eine vollständige Sanierung der Stadthalle, also fast das Doppelte einer Brandschutzsanierung. Und ein Neubau in den aktuellen Größenverhältnissen käme auf optimistisch gerechnete 9 Millionen Euro. Im Investitionsplan sind hier bis zum Jahr 2022 schon mal eben 8 Millionen vorgesehen – reichen wird das sicher nicht.
Denn wir wären nicht in Dillenburg, wenn wir es dabei belassen würden. Die aktuelle Größe – schon seit Jahren nur selten ausgereizt – reicht den Kolleginnen von der CDU und SPD nicht. Es darf dann schon das doppelte sein. 1000 Sitzplätze in Reihenbestuhlung fordern beide, auch wenn die SPD nur kurz zuvor von der Zahl fast schockiert war, und im Nebenraum dürfen nochmal 80-150 Plätze dazu kommen. Schaut man sich dann die Kosten vergleichbarer Hallen an, kommt man schnell auf 15 oder gar 20 Millionen Euro.
Halle völlig überdimensioniert
Aber woher kommt dieser vermeintliche Bedarf an 1000 Sitzplätzen eigentlich? Immer wieder wird auf die IHK-Studie verwiesen: Die hat aber zum einen nach einer gemeinsamen Stadthalle für Haiger und Dillenburg gefragt, und zum anderen eben nur das getan: nämlich gefragt.
Man braucht sich die Antworten gar nicht genauer anzusehen: man würde darin auch über die Aussage von 23% der Befragten stolpern, die 1500 Sitzplätze oder mehr begrüßen würden. Eigentlich brauchen wir nur auf die eine Frage zu schauen, die garnicht gestellt wurde: Ist denn jeder Wunsch auch sinnvoll? Genau das beantwortet die IHK-Studie nämlich nicht. Ganz im Gegenteil: etwas später taucht zum Beispiel ein Aktenvermerk in den Vorlagen auf, der besagt, dass die Christliche Jugendpflege aus Manderbach ihre Steps-Konferenz mit zuletzt 1350 Besucherinnen und Besuchern aus Platzgründen gar nicht zurück in eine Stadthalle verlegen könnte, so groß sie auch ausfiele.
Mit schöner Regelmäßigkeit bekommen wir auf unsere Kritik am Vorgehen in Sachen Stadthalle immer wieder zu hören, es sei ja ‚noch nichts beschlossen‘, und noch ‚alle Weichenstellungen möglich‘. Aber der entscheidende Punkt ist doch am Ende die Finanzierbarkeit eines Neubaus der Stadthalle. Und die hängt direkt mit der geplanten Größe zusammen. CDU und SPD fordern einhellig eine mehr als doppelt so große Stadthalle wie jetzt, und können den Bedarf bis heute nicht inhaltlich begründen.
Als neueste Entwicklung soll nun die Planung gemeinsam mit einem Hotel geprüft werden. Unsere Stadt kann mehr Übernachtungsmöglichkeiten vermutlich gut gebrauchen. Aber warum sollen wir das nun von einer uns unbekannten Firma für eine sechsstellige Summe prüfen lassen? Und warum schreiben wir eine solche Prüfung nicht aus, und geben damit auch anderen Anbietern auf dem Markt – und vielleicht neuen, bislang noch nicht erkannten Ideen – eine Chance?
Oder warum sondiert die Stadtverwaltung nicht weiter, ob und mit welchem Mehraufwand der geplante Neubau einer Turnhalle des TV Dillenburg zu einer Veranstaltungshalle aufzustocken wäre?
Stattdessen haben Sie mit Mehrheit in diesem Haus beschlossen, für einen bequemen 6-stelligen Betrag einen Architektenwettbewerb mit den völlig überzogenen Dimensionen auszuloben. Und haben angekündigt, die Planungen dann anschließend auf das finanzierbare Maß zurückstutzen zu wollen. Das heißt aber nichts anderes, als dass sie dessen Ergebnisse hinterher in die Tonne klopfen können. Das Geld können wir an anderer Stelle wirklich besser gebrauchen.
Wir bleiben deshalb dabei: Lassen Sie uns gerne über mehr Veranstaltungsraum in Dillenburg sprechen. Aber nicht über unbezahlbare Wunschträume mit Cocktailbars auf dem Dach.
Kulturveranstaltungen bringen Stadt voran
Aber es gibt natürlich auch positives zu erwähnen: Das Stadtfest Aquarena-Nacht, und natürlich die Feiern zum Stadtjubiläum, bei denen wir mit der HR-Bigband einen inhaltlichen Knüller zu bieten haben. Wir sind gespannt, ob der große Wurf gelingt und alle Bürger mitgenommen werden. Wermutstropfen dabei ist, dass die immer wieder geforderte Belebung des Schlossberggeländes mit diversen Veranstaltungen dabei nicht so sehr im Fokus zu stehen scheint. „Schau’n mer mal“, ob es einem privaten Veranstalter gelingt, die Freilichtbühne aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwecken.
Positiv ist auch die Einigung mit der Denkmalschutzbehörde für eine gefälligere Gestaltung des zentralen Wilhelmsplatzes: Endlich einmal sinnvoll investierte 60.000 Euro.
„Politik nach Gutsherrenart“ bei Eselstall für Tierpark
Positiv wäre auch noch anzumerken, dass es für Bürgermeister Lotz und die CDU zusehends schwerer wird, ihre Politik unter Missachtung der Spielregeln der Gemeindeordnung durchzudrücken. Als Beispiel ist hier der geplante Bau des ‚Eselstalles‘ im Wildpark Donsbach zu nennen: Ursprünglich war er nur als einfacher Holzstall mit durch Spenden finanzierten Kosten in Höhe von 10.000 Euro geplant. Den hatte der neue Vorstand des Fördervereins mal eben ohne Mandat der Stadtverordnetenversammlung in eine Luxusvariante mit Innenputz und Isolierverglasung umgewandelt– ganz in der Tradition seines von den neuen Mitgliedern vorher oft gescholtenen Vorgängers.
Die dadurch zusätzlich entstehenden Kosten in Höhe von über 60.000 Euro sollten dann – an den städtischen Gremien vorbei – im Haushaltsplan 2018 umgewidmet und nur durch Beschluss im Magistrat abgesegnet werden. Erst auf unsere Intervention hin musste die Verwaltung dann eine ordentliche Vorlage mit detaillierter Kostenaufstellung vorlegen. Damit konnten wir erreichen, dass über eine erhebliche Kostenreduzierung durch Eigenleistung und das Zurückfahren der Ansprüche an die Ausführung des Stalles gesprochen werden konnte. Ein solches Vorgehen schadet aus unserer Sicht der Entwicklung des für den Tourismus in Dillenburg wichtigen Wildparkes eher, als dass es ihn weiter voranbringt.
Große Koalition fährt Dillenburg finanziell ‚an die Wand‘
Welches Fazit können wir jetzt aus den genannten Punkten ziehen?
Das Verlassen des Schutzschirmes kann nicht bedeuten, dass Dillenburg ‚über den Berg‘ ist – im Gegenteil: an Ihrer Haushaltspolitik hat sich nichts geändert. Weiter beschließt die große Koalition in diesem Haus Investitionen, die Dillenburg auf Dauer finanziell gegen die Wand fahren.
Seit Jahren stellen wir uns – und Ihnen – die Frage: wann findet hier endlich ein Umdenken statt? Und Sie sagen uns seit Jahren: ‚Aber das hat doch keine Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt.‘ Und wir sagen immer wieder: ‚Hat es doch‘; durch höhere Zinsen und Tilgung und die Abschreibungen belasten wir die zukünftigen Generationen immer und immer weiter.
Und das nur am Rande: Welche Halbwertszeiten die in Dillenburg üblichen Abschreibungszeiten von 50 Jahren haben, sehen wir gerade am Aquarena-Bad, das – obwohl erst 15 Jahre in Betrieb – schon für weit über 5 Millionen Euro saniert werden muss.
Seit Jahren sind in diesem Hause für eine vorausschauende Sparpolitik keine Mehrheiten zu bekommen. Das hat sich bei allen wesentlichen Beschlüssen zu kostenintensiven Vorhaben der Stadt auch in diesem Jahr wieder gezeigt. Deshalb haben wir – wie schon in den vergangenen Jahren – bei den Haushaltsberatungen konsequenterweise auf Sparanträge bei kleineren Einzelposten verzichtet.
Meine Fraktion wird sich jedenfalls auch dieses Mal nicht an Ihrer auch für 2019 vorgesehenen Ausgaben-Olympiade beteiligen, und deshalb werden wir konsequenterweise auch den Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 ablehnen.