Haushaltsrede 2023 des Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung Dillenburg vom 08.12.2022

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn man in diesen Tagen die Nachrichten schaut, Zeitung liest oder sich mit seinen Mitmenschen unterhält, begegnet man der Sorge vor den wirtschaftlich schwierigen kommenden Zeiten. Galoppierende Inflation kommt zusammen mit den Ängsten vor einer Rezession, angetrieben nicht zuletzt von den explodierenden Energiepreisen durch Ukrainekrieg und der Krise der fossilen Energien.

Nicht so in Dillenburg: Hier plant man lieber einen Haushalt für das Jahr 2023, der zwar ein Millionendefizit für das Haushaltsjahr anrichtet – aber dieses durch extrem optimistische Prognosen für die 3 folgenden Jahre wieder ausgleichen möchte. Unfassbar knapp auf Kante genäht gehen wir mit einer bunt leuchtenden Glaskugel einfach davon aus, dass nicht nur alles nicht so schlimm wird, sondern dass wir auf steigende Steuereinnahmen bauen können. Während das Land Hessen inzwischen mal seine Einnahmeprognose für 2023 drastisch nach unten korrigiert, rechnen wir mit den goldenen 20er-Jahren. Hoffen und Wünschen treten wieder einmal an die Stelle einer vorausschauenden und verantwortungsvollen Planung. Für das Sport- und Freizeitbad Aquarena mit 8,9 Millionen Euro und die Stadthalle mit 5,9 Millionen Euro aktuell angenommener Gesamtkosten stehen weiter riesige Summen bereit, ohne dass wir bisher überhaupt über die Finanzierbarkeit gesprochen hätten.

Wir als GRÜNE Fraktion haben auch in der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wieder eine Reihe von Änderungsanträgen vorgelegt, die den Haushalt besser, transparenter und vor allem belastbarer gemacht hätten. Wir wollen Gelder bereitstellen für die Projekte, die hier schon längst beschlossen wurden.

Für den Skaterpark, den wir gemeinsam beschlossen haben, aber nicht bezahlen können. Für die Glück-Auf-Halle, deren Wiederaufbau wir noch in der letzten Legislatur mit allen Fraktionen beantragt haben, und den wir mindestens in den nächsten 4 Jahren nicht mal beginnen können.

Stattdessen lehnt die Mehrheit dieses Hauses es ab, überhaupt Geld dafür einzuplanen. Die CDU, die SPD, die Bürger für Dillenburg und die AfD sagen den Bürger*innen in Oberscheld: Lasst uns munter vor uns hin planen, aber Geld für die Glück-Auf-Halle gibt es nicht. Der Bürgermeister sagte nach dem Brand in Oberscheld: 5 bis 7 Jahre könnte es nach dem Brand im Februar 2021 dauern. 5 Jahre, das klang damals lang und doch steht das Jahr 2026 heute schon im Haushalt: Ohne einen Cent für den Wiederaufbau.

Sie sagen den Jugendlichen, die in den letzten Jahrzehnten für den Meetingpoint gekämpft haben: Wir malen euch schöne Bilder davon, wie es sein könnte und planen gerne schon mal ein bisschen vor uns hin, aber für die Baukosten haben wir leider bis mindestens 2026 nichts übrig. Dabei ginge es hier wirklich mal um eine sinnvolle und seit Ewigkeiten versprochene Investition.

Stattdessen lassen Sie lieber 250.000 Euro neue und alte Mittel für die öffentliche Toilette in Dillenburg im Haushalt stehen, obwohl die Förderung über das ISEK für nächstes Jahr abgelehnt worden ist und wir also wahrscheinlich gar nichts unternehmen werden. Wofür diese Viertelmillionen jetzt gut sein soll, können Sie niemandem erklären. Es wirkt fast wie eine Kleinigkeit, diese Viertelmillionen, aber sie zeigt exemplarisch die Planlosigkeit Ihres Vorgehens.

Und auch unseren Antrag, über die Finanzierung des Aquarenas zu reden, bevor wir weitere Millionen ausgeben, haben Sie wieder einmal abgelehnt. Es wäre, nur so lässt sich Ihre Haushaltspolitik zusammenzufassen, zu anstrengend, den wirtschaftlichen Realitäten ins Auge zu schauen. „Es muss ja getan werden, was wollen wir da machen?“ „Wir wissen ja auch nicht, wie es gehen soll, aber irgendwie muss es ja gehen.“ „Irgendein Wunder wird uns schon helfen nächstes Jahr“. Fast wörtlich sind das Ihre Äußerungen aus den Haushaltsberatungen. Hoffen und Wünschen also auch auf der Ausgabenseite sehen – die Definition eines politischen Offenbarungseides.

Bürgermeister Lotz warf uns dann letzter Woche im Haupt- und Finanzausschuss vor, mit unseren Anträgen würden wir nur den Haushalt kaputt rechnen wollen. Mit Anträgen, die Geld für das bereitstellen, was die Mehrheit hier längst beschlossen hat. Allein das Aufzeigen, die logische Konsequenz, das Sichtbar-machen ist also der Fehler. Nicht die Versprechen, die uneinlösbar davor gemacht werden. Lassen Sie mich das ganz klar sagen: „Kaputt“ machen alle anderen Fraktionen den Haushalt, wir haben nur sauber gerechnet.

Denn zu der schon seit fast zwei Jahren fest stehenden Mehrheit aus CDU, Bürgern für Dillenburg und AfD kommt nun auch noch die wieder eingescherte Sozialdemokratie und sagt mit ihnen gemeinsam: Wir probieren gar nicht erst, den Haushalt auszugleichen, wir rechnen uns lieber wieder die nächsten Jahre schön. Irgendwie, Sie erinnern sich, muss es ja gehen.

Der Bürgermeister wurde auch im letzten Jahr nicht müde zu erklären: Die Verwaltung hat ein tatsächliches Defizit von 7 Millionen auf immer noch 1,5 Millionen Euro reduziert: Jetzt sei die Kommunalpolitik am Zug. Aber die neu wieder gefundene Riesenmehrheit will auch diese Runde im großen Schuldenspiel lieber wieder aussetzen. Substanzielle Änderungen aus dem Parlament gab es auch dieses Jahr wieder nicht.

Die SPD schockte die anderen Fraktionen mal kurz mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer, die immerhin fast ein Drittel des Defizites hätte ausgleichen können. Zu wenig natürlich, doch immerhin ein kurzes Aufflammen der Erkenntnis. Aber keine Chance, über so etwas in Dillenburg auch nur zu reden. Und obwohl die Erhöhung abgelehnt wurde, hängt die SPD doch zu sehr an den Luftschlössern der geplanten, aber nicht bezahlbaren Großprojekte, und stimmt dem Schuldenhaushalt wieder einmal zu. Wir werden daran erinnern, wenn der geschätzte Kollege Schäfer bei der nächsten Haushaltsbegleitverfügung wieder fragen wird, wie das eigentlich alles noch gut gehen soll.

Am Ende ist also doch wieder alles wie immer im schönen, aber so erschreckend armen Dillenburg: Schönrechnen, Mut zur Lücke und über allem die nur spärlich als Hoffnung verkleidete Ratlosigkeit. Als Konsequenz noch mehr Schulden, die die junge Generation von Dillenburger*innen wird begleichen müssen, wenn sie denn überhaupt bleibt. So kann man keine Politik machen, so kann man keine Zukunft für Dillenburg gestalten. Deshalb werden wir diesen Haushalt für das Jahr 2023 ablehnen.

Vielen Dank.

Christian Jung
Fraktionsvorsitzender