Es gilt das gesprochene Wort
Werte Kolleginnen und Kollegen,
oft werden Haushaltsreden dazu genutzt, um mit der Verwaltung oder den politischen Mitstreitern abzurechnen. Um den Finger in die Wunde zu legen. Und um zu zeigen, was nicht „rund“ läuft.
Und auch wenn die Mehrheitsfraktionen hier in der StVV das anders sehen, müssen wir – wie jedes Jahr – feststellen: auch in Dillenburg läuft nicht alles rund.
Zum Beispiel bei der Schuldenentwicklung: Wir sind noch nicht endgültig aus dem Rettungsschirm entlassen, durch den wir glücklicherweise von einem Großteil der von Ihnen aufgehäuften Schulden entlastet worden sind.
Wir haben zudem durch unseren Beitritt zur Hessenkasse eine Entlastung bei den horrend hohen Kassenkrediten bekommen – die jetzt Liquiditätskredite heißen, und die jetzt zum Glück am Jahresende auf Null zurückgeführt werden müssen.
Historisch hoher Schuldenstand trotz Landeshilfen
Aber statt sich glücklich zu schätzen und jetzt endlich die Wünsche auf das vernünftige, bezahlbare Maß einzudampfen, beschließen Sie vermutlich gleich mit Ihrer Mehrheit einen Haushalt, der eine Netto-Neuverschuldung von über 10 Mio. Euro vorsieht.
Sie werden einen Haushalt beschließen, der zu einer selbst für Dillenburger Verhältnisse historisch hohen Gesamtverschuldung von über 46 Millionen Euro führt.
Eigentlich wollten wir uns doch freischwimmen aus den Zwängen der Haushaltssicherung. Wir wollten mal wieder den Kopf über‘s Wasser kriegen. Jetzt guckt aber gerade mal die Nase aus dem Wasser, und bei der nächsten Welle werden wir wieder untergehen.
Unaufschiebbare Investitionen belasten Bürgerinnen und Bürger
Rechnet man nur mal die größeren Investitionen der Stadt Dillenburg in den nächsten 4 Jahren zusammen. Hier kommen wir auf gut 30 Millionen Euro.
Und während beim Hochwasserschutz immerhin bis zu 80% vom Land gefördert werden, sieht das für viele andere Investitionen deutlich schlechter aus
– sei es zwischen 20 und 40% bei den Feuerwehrfahrzeugen, oder überhaupt keiner Förderung beim Neubau der Kläranlage in Donsbach.
Wir brauchen in den kommenden 4 Jahren schon etliche Millionen Euro allein für die wirklich notwendigen Investitionen
Wie zum Beispiel den Hochwasserschutz, die Sanierung der Aquarena, oder der Feuerwehr-Standorte. Allein dadurch kommen schon extrem hohe Belastungen auf die Bürgerinnen und Bürger zu.
Angesichts des immer stärker wirkenden demografischen Wandels, angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage unserer Gewerbesteuer-Zahler, und angesichts der unsicheren Prognosen für die gesamten Steuereinnahmen wird das eh schon hart genug werden.
Großmannssucht zu Lasten der kommenden Generation
Und doch zeigt sich die Mehrheit in diesem Hause unbeeindruckt von diesen Zahlen. Man erwartet bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion schon lange nichts Anderes mehr – und erst recht nicht bei Herrn Bürgermeister Lotz.
Ein wenig Hoffnung haben – oder besser gesagt hatten – wir in der Vergangenheit immer mal wieder bei den Kolleginnen und Kollegen der SPD. Diese Hoffnung machen Sie allerdings bei den wirklich teuren Projekten regelmäßig zunichte.
Und auch über die als Löwe gestarteten – und als CDU-Bettvorleger gelandeten – Bürger für Dillenburg brauche ich an dieser Stelle gar nichts weiter sagen.
Anstatt etwas mehr Respekt vor den Herausforderungen für unsere Stadt zu haben, machen Sie den Weg frei für mehr – und immer noch mehr – Ausgaben: Sei es die unnötigerweise doppelt so große Stadthalle, die Sie – noch optimistisch – mit 8 Millionen Euro einplanen, oder die neueste Idee einer Landesgartenschau in Dillenburg, die mindestens weitere 3,5 Millionen Euro kosten würde – und vermutlich ein ähnliches Defizit hinterlassen wird.
Sie geben Geld aus, als gäb‘s kein Morgen mehr. Das ist aus unserer Sicht unverantwortlich.
Verlogene Argumentation
Bezeichnend ist dabei aber vor allem, dass von Ihnen bis heute immer noch die gleiche, falsche Erklärung vorgebracht wird.
Das haben wir vergangene Woche im Haupt- und Finanzausschuss von Herrn Lotz und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden einmal mehr hören können: Das seien ja nur Investitionen, die den Ergebnishaushalt nicht belasten würden.
Dieses Denken war schon zu Zeiten der Kameralisitik kurzsichtig. Und es ist genau der Grund dafür, dass wir nun im doppischen Haushalt endlich auch den Investitionshaushalt ausgleichen müssen. Denn das Geld, das wir für Zinsen – und vor allem die Abschreibungen – erwirtschaften müssen, unterschlagen Sie nur allzu gerne.
Abschreibungen werden unterschlagen
Wir erklären‘s Ihnen gerne nochmal: Das Grundziel der Doppik – mit Blick auf die Investitionen einer Kommune – ist der Erhalt oder gar die Vermehrung des Eigenkapitals.
Wenn wir also eine Stadthalle bauen, ist die im ersten Jahr genau das Wert, was wir dafür ausgegeben haben. Somit entsteht erstmal durch die Investition kein Vermögensabfluss.
Aber sobald ein Wertgegenstand benutzt wird oder altert, sinkt sein Wert. Und um diesen Wertverlust auszugleichen, müssen wir Abschreibungen im gleichen Umfang erwirtschaften.
Machen wir doch mal ein simples Rechenbeispiel auf, damit es vielleicht auch bei Ihnen Klick macht: Bleiben wir bei den 8 Millionen Euro für die Stadthalle, und rechnen aus, wie viel Belastung den Bürgerinnen und Bürgern dadurch wirklich entsteht:
Stadthalle nur mit horrenden Schulden finanzierbar
Andere, vergleichbare Stadthallen werden über 25 Jahre abgeschrieben, sodass wir allein für Abschreibungen 320.000 Euro pro Jahr erwirtschaften müssen. 320.000 Euro, um das plastisch zu machen, sind in Dillenburg 40 Prozentpunkte mehr in der Grundsteuer.
Und dann kommt ja noch der Zinsdienst dazu: Rechnen wir mal mit 2 Prozent jährlichen Zinsen. dann werden auf die 8 Millionen Euro über 2,2 Millionen an Zinsen fällig.
Auf 25 Jahre gerechnet sind das jährlich 88.000 Euro – und damit die nächsten 10 Prozentpunkte mehr in der Grundsteuer.
CDU und SPD sorgen für unzumutbare Belastung
Um die Stadthalle also wie von Ihnen geplant und beschlossen für 8 Millionen neu zu bauen, müssen die Bürgerinnen und Bürger in Dillenburg in den kommenden Jahren richtig tief in die Tasche greifen. Und wie sieht das Ganze erst aus, wenn die Stadthalle – wie zu erwarten – deutlich teurer wird?
Und – quasi ‚on Top‘ – noch eine Landesgartenschau obendraufkommt?
Und da kommen Sie von der CDU-Fraktion her und brüsten sich mit einer 25%-igen Senkung der Grundsteuer für 2020 – das ist doch reine Augenwischerei!
Aus all diesen Gründen fordern wir Sie – wie jedes Jahr – auf: Realisieren Sie endlich, wie es um die Finanzen unserer Stadt bestellt ist. Und hören Sie auf, teure Prestigeprojekte anzustoßen, die wir uns im Grunde genommen gar nicht leisten können.
Die Herausforderungen in den nächsten Jahren sind groß genug, auch ohne dass Sie uns mit Ihrer Ausgabenpolitik wieder an den Rand einer Zwangsverwaltung bringen.
Aber stattdessen werden sich gleich alle unheimlich freuen, wenn hier wieder mal ein extrem auf Kante gestrickter Haushalt beschlossen wird!
Fragwürdige Umgangsformen
Zum Schluss sage ich noch ein paar Worte zu den Umgangsformen hier in der Stadtverordnetenversammlung.
In so manch einer Sitzung denke ich mir: Man sollte die Mehrheit nicht mit der Wahrheit verwechseln.
Ich mache das ja jetzt schon seit fast vierzig Jahren. Wenn ich da an früher denke, wurde zwar hart in der Sache, aber trotzdem menschlich respektvoll miteinander umgegangen. Im Gegensatz dazu sind wir zwischenzeitlich auf einer Ebene angekommen, die das erträgliche Maß an Zumutbarem häufig überschreitet.
In oft aggressivem Tonfall werden Inhalte einfach abgebügelt, und einzelne Kollegen, die auch mal andere Meinungen vertreten, werden zynisch ‚abgewatscht‘.
Gerade von Seiten des Bürgermeisters – und einiger weniger CDU-Stadtverordneten – wird statt Diskussionen um die Sache immer mehr mit persönlichen Angriffen gearbeitet, die schon lange das erträgliche Maß übersteigen.
Ihr Zynismus ist in keinem Fall ein Ausdruck intellektuell überlegener Haltung. Das ist insgesamt keine Art und Weise, wie Freizeit-Politikerinnen und -politiker mit sich umgehen lassen müssen.
Große Koalition fährt Dillenburg an die Wand
Welches Fazit können wir jetzt aus den aufgezählten Punkten ziehen?
Das Verlassen des Schutzschirmes kann nicht bedeuten, dass Dillenburg ‚über den Berg‘ ist – im Gegenteil: dank Ihrer Haushaltspolitik hat sich nichts geändert.
Immer weiter beschließt die immer größer werdende ‚große Koalition‘ in diesem Haus Investitionen, die Dillenburg auf Dauer finanziell gegen die Wand fahren.
Seit Jahren sind für eine vorausschauende und damit nachhaltige Finanzpolitik keine Mehrheiten zu bekommen. Das hat sich auch in diesem Jahr bei allen wesentlichen Beschlüssen zu kostenintensiven Vorhaben wieder gezeigt.
Und deshalb haben wir auch – wie schon in den vergangenen Jahren – bei den Haushaltsberatungen konsequenterweise auf Sparanträge bei kleineren Einzelposten verzichtet.
Meine Fraktion wird sich jedenfalls auch dieses Mal nicht an Ihrem ‚weiter-so‘ beteiligen, und deshalb werden wir konsequenterweise den Haushaltsentwurf für das Jahr 2020 – und insbesondere den Investitionsplan für die Folgejahre – ablehnen.