Es ist wirklich bemerkenswert, was die Initiator*innen des Bürgerbegehrens in Dillenburg angestoßen haben: Eine mit knapper Mehrheit und großem Druck durchgedrückte Entscheidung für den Abriss und einen Neubau der Dillenburger Stadthalle haben Sie unmöglich gemacht, sodass die Stadtverordnetenversammlung schon im März diesen Beschluss einstimmig ausgesetzt hat. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig bürgerschaftliches Engagement ganz konkret und das Interesse an städtischen Entscheidungen tatsächlich sind: Es werden wichtige Debatten angestoßen, die sonst im Stadtparlament nur verkürzt oder gar nicht geführt worden wären. Dafür kann und muss man die Initiator*innen genauso loben wie die große Zahl von Bürger*innen, die dieses Bürgerbegehren unterstützt haben.
Aber dieser Tagesordnungspunkt ist ja eben kein Aufgreifen des Bürgerbegehrens durch die Stadtverordnetenversammlung oder gar die Einleitung eines formalen Bürgerentscheids in Form einer konkreten Wahl, die die Dillenburger Bürger*innen in den Wahllokalen in jedem Ortsteil treffen müssten. Dieser Tagesordnung will die Ablehnung des Bürgerbegehrens erreichen.
Nun sind die anderen Fraktionen sowie der Bürgermeister ja allesamt nicht zögerlich damit, zu erklären, dass es ja nur um formale Gründe gehe und dem Bürgerbegehren ja inhaltlich im gemeinsamen Antrag von CDU, SPD, FDP und BfD doch noch entsprochen werden solle. Aber worum genau geht es denn bei der formalen Ablehnung?
Warum überhaupt die Ablehnung des Bürgerbegehrens?
Die Verwaltung kommt in Ihrer Stellungnahme zu dem Schluss, dass das Bürgerbegehren entgegen den gesetzlichen Vorschriften aus § 8b der Hessischen Gemeindeordnung keine Aussage zu den zu erwartenden Kosten und, noch wichtiger, zu deren Deckung enthalte. Und wenn man der Abstimmung aus dem Haupt- und Finanzausschuss folgt, wird die Stadtverordnetenversammlung sich dieser Einschätzung gleich anschließen.
Nur müssen wir uns jetzt alle mal ernsthaft die Frage stellen, ob es denn tatsächlich nur ein so genannter formaler Mangel ist. Die Verwaltung jedenfalls hat die Initiator*innen des Bürgerbegehrens rechtzeitig darüber informiert, dass der Deckungsvorschlag rechtlich unbedingt notwendig ist. Aber die Initiator*innen des Bürgerbegehrens haben sich offenbar entschieden, keinen solchen Vorschlag zu machen. Ist hier denn nur etwas versäumt worden, was für den Inhalt des Bürgerbegehrens gar keine Bedeutung hat? Nein, ganz im Gegenteil, die fehlende Aussage zur Finanzierung ist aus unserer GRÜNEN Sicht nicht nur ein formaler Mangel, sondern ein ganz eklatanter inhaltlicher Mangel:
Denn wir alle als Stadtverordnete wissen bis zum heutigen Tage nicht, worüber wir eigentlich reden. Was genau ist notwendig, um die Stadthalle wieder zu öffnen? Reicht es, übertrieben formuliert, einmal schnell durchzuwischen und ein, zwei Fenster auszutauschen, wie es immer mal wieder als Einschätzung wahrnehmbar war? Oder reden wir, wie die Verwaltung seinerzeit bei der Vorbereitung des Neubaubeschlusses argumentierte, von einer Vollsanierung, die finanziell jede Dimension sprengen würde? Wir wissen es nicht – und die Initiator*innen des Bürgerbegehrens haben sich bis heute nicht erklärt, welche Kosten und Sanierungsumfänge sie eigentlich meinen, wenn sie die Sanierung fordern. Weder stand das, wie gesetzlich gefordert, im Beschlusstext des Bürgerbegehrens, noch folgte in dem halben Jahr danach eine Nachlieferung dieser so wichtigen Information.
Stattdessen haben die Vertreter*innen des Bürgerbegehrens in einer Stellungnahme erklärt, dass sie die Ablehnung als ungerechtfertigt ansehen – aber sie hat nicht erklärt warum. Denn einerseits will man viel Geld ausgeben, und andererseits sagt man, dass gar kein Geld ausgegeben werden müsse. Darauf muss man erstmal kommen.
Niemand weiß, über welche Kosten wir reden und woher das Geld kommen soll
Kommen wir zurück zur Frage des § 8b HGO: Wenn keine Kosten benannt werden und kein Vorschlag zur Deckung der Kosten vorgelegt wird, heißt das in direkter Konsequenz: es ist kein Geld da. Wir als Stadtverordnete sollen uns aber jetzt trotzdem vollständig hinter die Idee des Bürgerbegehrens stellen, ohne die Kosten zu kennen. Genau davor warnt doch §8b HGO: dass die Bürger*innen berechtigte wie unberechtigte Wünsche äußern und dann das Stadtparlament damit alleine lassen, wie genau sich das eigentlich bezahlen lässt. Wie dann der öffentliche Druck aussehen würde, das können wir uns alle bildlich vorstellen.
Für uns GRÜNE ist ganz klar: All das gehört in die Kommission und muss dort besprochen werden – wozu brauchen wir die Kommission denn sonst? Die Kommission muss aus unserer Sicht ergebnisoffen diskutieren: Was genau wäre notwendig, um welches Ergebnis zu erzielen? Und dann reden wir darüber, ob wir uns das leisten können.
Wir dürfen nicht schon wieder vorher sagen: Wir werden es tun, egal was es kostet. Lassen Sie sich nicht von dem fehlerhaften Bürgerbegehren verunsichern, treffen wir gemeinsam heute vernünftige Entscheidungen für unsere Stadt.
Der Ablehnung des Bürgerbegehrens aus formalen Gründen stimmen wir daher zu. Aber wie umgehen mit dem gemeinsamen Antrag der CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, FDP-Fraktion und BfD-Fraktion mit dem schönen Titel „Zukunft Stadthalle“?
Zum gemeinsamen Antrag: Es lohnt, genauer hinzusehen
Wie schon beim vorherigen Tagesordnungspunkt angekündigt beantragen wir hiermit getrennte Abstimmung der 6 Punkte des Beschlussvorschlages dieses gemeinsamen Antrages von CDU, SPD, FDP und BfD.
Die ersten beiden Punkte, also die nun nochmal deutlichere Aufhebung des Abrissbeschlusses sowie die Aufhebung des Neubaubeschlusses, sind bei uns genauso unstrittig wie bei Ihnen. Die breite Unterstützung des Bürgerbegehrens hat klar gezeigt, dass die Bürger*innen die damalige Entscheidung für den Abriss von CDU, BfD und AfD sowie den vorherigen Neubaubeschluss – bei ausschließlich unseren Gegenstimmen – nicht wollen. Daher ist es absolut richtig, diese beiden Beschlüsse aufzuheben.
Gelder bereitstellen, bevor klar ist, worum es geht?
Interessant wird es aber dann bei Punkt drei, der Umwidmung der bisher für den Neubau der Stadthalle eingeplanten Finanzmittel im städtischen Haushalt für die Sanierung. Natürlich geht es hier nur um Gelder, die erst in den mittelfristigen Finanzplanungen stehen und daher bisher noch nicht endgültig beschlossen worden sind. Und natürlich können Sie uns jetzt entgegenhalten, dass die Summen ja nicht ausgegeben werden müssten, sondern erstmal nur eingeplant werden. Aber wir alle wissen doch, welches Signal Sie mit diesem Beschlussvorschlag wirklich senden wollen und vermutlich senden werden: Ja, es wird eine Sanierung geben, und ja, es darf gerne ein paar Millionen kosten. Bevor also die Kommission auch nur einmal getagt hat, bevor es ein notwendiges Gutachten gibt, stellen Sie schon mal Gelder bereit.
Und wir alle wissen auch, wie diese Geschichte weitergehen wird, wenn die hier umbenannte Haushaltsposition nicht reichen wird: Unsere liebe Kolleginnen und Kollegen werden, wie Sie das immer machen, immer weiteres Geld nachlegen.
Im Kern stellen die anderen Fraktionen hier einen Freifahrtschein für die Sanierung aus, schon heute und mit genau diesem Beschluss. Daher werden wir dem Punkt 3 eindeutig nicht zustimmen und fordern alle Stadtverordneten auf, dies ebenfalls nicht zu tun.
Über den Punkt 4 können wir hinweggehen, die Einwerbung von Fördermitteln sollte zu den völlig normalen Aufgaben der Verwaltung gehören und dass noch immer keine eindeutige Information darüber vorliegt, ob die Anmeldung der Stadthalle für das Programm Lebendige Zentren überhaupt tragfähig ist und wenn ja, unter welchen Bedingungen, das ist schon ein Treppenwitz der Verwaltungsarbeit. Aber geschenkt, dieser Punkt ist für uns natürlich zustimmungsfähig.
Auch dem 5. Punkt, der Erstellung eines Gutachtens können wir uns anschließen, wenn auch mit etwas getrübter Stimmung. Denn auch die Sage der Gutachten in der Stadt Dillenburg ist uns allen bekannt: Viele Gutachten landen in Schubladen, aber die wirklich teuren Gutachten neigen dazu, wie bei einem Automatismus dafür zu sorgen, dass die Mehrheit in diesem Hause anschließend deren Umsetzung beschließt, völlig egal, für welche Kosten. Wir hoffen, dass wir diesmal über die eingerichtete Kommission eine sinnvollere und klügere Diskussion miteinander führen, als deren Grundlage wir eben dieses Gutachten brauchen werden.
Und damit kommen wir zum letzten Punkt, der so simpel wie eindeutig formuliert: „Die ermittelten Ergebnisse werden in der noch zu gründenden Kommission „Zukunft der Stadthalle Dillenburg“ besprochen.“ Das hätte der eigentliche Kern dieses Antrages sein müssen, und dafür werden wir uns auch in aller Deutlichkeit einsetzen.
Was heißt das denn nun?
Sind wir gegen das Bürgerbegehren? Nein, jedenfalls nicht im Sinne der vielen Unterzeichnenden, denen der Abrissbeschluss missfiel. Sind wir damit aber gleichzeitig für eine Sanierung, egal wie viel sie kosten solle? Nein, ebenso nicht.
Wir sind der gleichen Meinung wie vorher: Genauer hinsehen, Zahlen und Fakten auf den Tisch, und dann mit der desaströsen Haushaltslage der Stadt Dillenburg im Blick entscheiden.