Werte Kolleginnen und Kollegen,
die aktuelle Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie schnell sich buchstäblich alles verändern kann. Geschäftlich, privat, aber auch im kommunalen Bereich. Auch unser seit Jahren überreizter, immer schon knapp auf Kante genähter Haushalt muss plötzlich mit wesentlich weniger Einnahmen auskommen.
In einer solchen Krise zeigt sich aber auch, welche großen Beträge anderswo aktiviert oder umgeschichtet werden können, wenn sich alle – oder doch die allermeisten – einig sind.
Wir Grünen versuchen seit Jahren schon, diesen Herausforderungen mit Vorschlägen zu begegnen, die unserer globalen Verantwortung für das Klima, unserer Verantwortung für unsere natürlichen Lebensgrundlagen und unserer kommunalen Verantwortung für die Menschen vor Ort gerecht werden.
In der Krise haben die Menschen in Dillenburg eine riesengroße Solidarität gezeigt, sehr schnell tolle Hilfsprojekte ins Leben gerufen, und kreative Ideen entwickelt. Darüber hinaus helfen die Vereine, Verbände, Kirchen und freien Träger maßgeblich mit, die Auswirkungen dieser Krise zu bewältigen.
Gut ist aus unserer Sicht auch, wie die Verwaltung zu Beginn des Jahres den Umgang und die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus ‚gehandlet‘ hat. Hier gilt es ausnahmsweise mal, dem Magistrat mit dem Bürgermeister an der Spitze Lob zu zollen: Sie haben mit einem hohen Maß an Transparenz, mit viel Fingerspitzengefühl und unter Einbeziehung der politischen Entscheidungsträger in den Gremien einen guten Job gemacht.
Einen guten Job, der die Betreuung in den Kitas – wenn auch stark eingeschränkt – ebenso möglich gemacht hat, wie den Verwaltungsbetrieb insgesamt für die Bürger*innen weiter aufrecht zu erhalten.
Aber das waren Sie natürlich nicht alleine: Wir danken an dieser Stelle deshalb besonders allen Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung und der Kindertagesstätten, die in diesem Jahr unter außergewöhnlicher Belastung stehen.
Unser Dank gilt insbesondere aber auch der Kämmerei mit Frau Bellersheim an der Spitze für die sicher nicht einfache Erarbeitung des Haushaltsentwurfes – und die geduldige Beantwortung all unserer Fragen.
Wir haben unter den Auswirkungen des Virus ja immer noch zu leiden. Und wir spüren die Folgen nicht nur in unserem täglichen Leben, sondern finanziell auch in unserem Haushalt. Und das wird auch noch ein paar Jahre lang so sein.
Der uns heute zur Abstimmung vorliegende Haushaltsentwurf ist nicht ausgeglichen und weist – wir haben das ja bereits gehört – ein Defizit von knapp 2,2 Mio. Euro aus. Und wir starten ja schon mit über 50 Mio. Euro Schulden ins nächste Jahr.
Vorgesehen ist, über 12 Mio. Euro an neuen Krediten aufzunehmen. Das bedeutet, dass wir damit bei einem historisch hohen Schuldenstand von über 60 Mio. Euro landen. Das katapultiert uns mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2.650 Euro auf den dritten Platz im Kreisgebiet – direkt hinter Siegbach und Wetzlar.
Der Finanzplanungserlass des Landes, auf den sich die Verwaltungsspitze bei der Haushalts-Aufstellung beruft, stellt uns hier aber keineswegs einen Freifahrtschein aus. Im Gegenteil: das Land weist ausdrücklich darauf hin, dass die fehlenden Steuereinnahmen keine Abkehr von der Verpflichtung zum Haushaltsausgleich bedeuten. Vielmehr müssen wir in den kommenden Jahren durch massive Einsparungen die aufgelaufenen Defizite wieder erwirtschaften.
Mit dem vorliegenden Entwurf zeigt sich, dass ein Ausgleich noch nicht mal probiert worden ist: alles bleibt beim Alten – außer den Einnahmen natürlich –, und wird mit noch mehr Schulden finanziert.
Und dabei spiegelt das vorliegende Zahlenwerk nicht mal die augenblickliche Situation genau wider: bei manchen Produkten ist nämlich ein Corona-Malus eingerechnet, bei anderen noch garnicht.
In dem notwendig gewordenen Haushalts-Sicherungskonzept kündigt Bürgermeister Lotz an, dass Dillenburg den Haushaltsausgleich bis zum Jahr 2024 anstrebt. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Und das könnte sogar erreicht werden, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen würden. Wenn wir gemeinsam die von uns Grünen seit vielen Jahren geforderte nachhaltige Haushaltspolitik betreiben, und von unsinnigen und superteuren Großprojekten Abstand nehmen würden – die Dillenburg zudem keinen Zentimeter nach vorn bewegen werden.
Wir haben erlebt, dass der Stellenwert und die Wertschätzung für die Natur in der Zeit des Lockdowns deutlich gestiegen sind. In dieser Zeit der extremen Einschränkungen hat der Aufenthalt in unseren Naherholungsgebieten zur psychischen Entspannung und Gesundheit aller Bürger*innen beigetragen. Angesichts des dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt, vor allem der Insekten, sehen wir einen großen Handlungsbedarf für Qualitätsverbesserungen in allen Schutzgebieten, Grünflächen und Wäldern. Wir stärken damit gleichzeitig die Schönheit der Natur, ihren Erholungswert und die Klimaanpassung.
Aber was machen Sie mit der Mehrheit in diesem Haus? Sie kaufen völlig überteuerte Grundstücke für ein nicht umsetzbares Gewerbegebiet in einem der ökologisch wertvollsten Biotope Hessens auf.
Sie planen die Durchführung einer Landesgartenschau, bei der die Schmankerln am Rande – wie ein Aufzug auf den Schloßberg, oder eine neue Fußgänger-Brücke direkt zwischen zwei bestehenden Brücken – mal so eben 2-3 Mio. Euro kosten werden. Und die zwingend nötigen Rückstellungen dafür sind noch nichtmal im Haushaltsentwurf eingestellt.
Sie halten weiterhin an einem völlig überdimensionierte Neubau einer Stadthalle mit über tausend Sitzplätzen für weit über 10 Mio. Euro fest, dessen Sinnhaftigkeit sich in den letzten Jahren der willkürlichen Schließung quasi selbst ad absurdum geführt hat.
Sie wollen selbst so banale Dinge wie die Altglas-Container-Standorte mit Pflasterung und Beleuchtung für 350 T. Euro ausstatten.
Und das geht so weit, dass bei uns in Dillenburg selbst ein kleines Toilettenhäuschen in der Innenstadt schon so viel kosten soll, wie anderswo ein Einfamilienhaus.
Man wird den Eindruck nicht los, dass bei der Mehrheit in diesem Haus alles, was in der Umsetzung besonders teuer ist, auch um jeden Preis umgesetzt wird – und zwar egal, ob das irgendetwas für die Stadt bringt, oder nicht.
Dabei können wir nicht mal einen Teil unseres Defizits mit Rücklagen ausgleichen; sowas haben wir in Dillenburg – dank Ihrer Ausgabenpolitik – schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Sicher haben wir einige große Ausgaben-Brocken, die mehr oder weniger unvermeidlich sind. Das sind in erster Linie der dem Klimawandel geschuldete Hochwasserschutz in den Stadtteilen, aber auch die durch Planungsfehler verursachte Sanierung des Hallenbades, die durch strengere Auflagen bedingte Sanierung der Kläranlagen in Niederscheld und Donsbach, oder die Ausstattung unserer Feuerwehren mit angemessenen Gebäuden und Fahrzeugen.
Wenn wir aber in den nächsten Jahren bis zur Landesgartenschau jährlich 2 bis 3 Mio. Euro zusätzlich erwirtschaften sollen, wenn die Sanierung des Aquarena-Bades wesentlich teurer wird, als die bislang veranschlagten 5,3 Mio. Euro, und wenn obendrein die in den nächsten Jahren ebenso sicher anfallenden Defizite unausgeglichener Haushalte in mindestens der gleichen Größenordnung aufgefangen werden müssen, dann verlangen wir von Ihnen, dass Sie uns sagen, wie Sie das bewerkstelligen wollen.
Wir verlangen von Ihnen, dass Sie den Bürger*innen nicht nur wunderbare, zum Teil auch sicher erstrebenswerte Investitionen in eine lebenswertere Stadt präsentieren, sondern wir verlangen von Ihnen, dass Sie ihnen auch sagen, mit welchen Einschnitten, mit welchen finanziellen Belastungen das Ganze in Zukunft verbunden ist.
Dass Sie ihnen sagen: „Sorry Leute, aber wir ballern jetzt schon mit beiden Händen das Geld raus, das ihr als nächste Generation dann leider nicht mehr in die Zukunft unserer Stadt investieren könnt. Leider habt ihr über Jahrzehnte hinweg keinerlei finanziellen Handlungsspielraum mehr, und ihr werdet nur noch das Allernötigste bezahlen können. Aber wir hatten wenigstens eine schöne Zeit – damals, in unserer Filterblase, die an den Idealen und Entwicklungen von gestern und vorgestern festhält.“
Aber was machen Sie, Kolleginnen und Kollegen der CDU, statt dessen?
Sie leben Ihre Arroganz in vollen Zügen aus. Sie sichern sich statt dessen lieber mit Taschenspielertricks eine Mehrheit in den Ausschüssen, die sie de facto in der Stadtverordnetenversammlung ja nicht haben.
Sie befragen die Bürger*innen im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahl unter dem Deckmäntelchen der Bürgerbeteiligung, was sie denn gerne in Dillenburg anders oder verbessert haben möchten, verschweigen aber, dass die meisten Dinge wegen der seit Jahren herrschenden Ausgabenpolitik garnicht machbar sein werden.
Sie möchten im Eilverfahren – am liebsten unter Umgehung des sonst üblichen Wettbewerbs – wichtige Filetstücke in der Innenstadt an Ihresgleichen verscherbeln, obgleich sich der vermeintliche Grund für die Eile im Nachgang als garnicht vorhanden herausgestellt hat.
Und sie versteigen sich zu Vorwürfen an uns, wir seien eine ‚Verhinderungspartei‘ und würden alles ausbremsen, was für Dillenburg wichtig sei.
Ein Traum, wenn das nur im Ansatz so wäre…
Dann könnten wir heute mit unseren aufgesparten Rücklagen einen Teil der Steuerausfälle auffangen.
Und wir könnten mit nachhaltigen Projekten eine kleinteilige, innovative Unternehmensstruktur von Dienstleistern im Innenstadtbereich fördern.
Wir könnten das Gebiet rund um den ehemaligen Lokschuppen entwickeln, um dort – neben einem Kulturzentrum – ebenfalls zukunftsfähige start-ups, z.B. aus dem IT-Bereich, anzusiedeln.
Wir könnten Freiflächen wie den Hofgarten oder das Schloßberg-Gelände – ja unsere gesamte Innenstadt nebst den Stadtteilen – zu attraktiven Begegnungsstätten umgestalten, an denen sich die Menschen gerne aufhalten.
Wir könnten mit regelmäßigen, kleinen Kulturveranstaltungen nachhaltig viele Menschen an Dillenburg binden – und damit die heimische Gastronomie stützen.
Wir könnten mit dem Fokus auf sanften Tourismus viel für Dillenburg erreichen – und damit Hotels und Pensionen stärken.
Wir würden damit nachhaltige Steuereinnahmen aus vielen kleinen Unternehmungen generieren – und wären nicht von den wenigen großen Automobilzulieferern mit fraglicher Zukunft abhängig.
Auch deshalb achten wir seit vielen Jahren ganz besonders darauf, dass wir die nach uns kommenden Generationen nicht in ihrer Handlungsfähigkeit beschneiden, mit immer mehr Schulden, mit sinnfreien Großprojekten und Fehlinvestitionen.
Aber seit ebenso vielen Jahren sind für eine vorausschauende – und damit nachhaltige – Finanzpolitik hier keine Mehrheiten zu bekommen. Das hat sich auch in diesem Jahr bei allen wesentlichen Beschlüssen zu kostenintensiven Vorhaben wieder gezeigt.
Und deshalb haben wir auch – wie schon in den vergangenen Jahren – bei den Haushaltsberatungen konsequenterweise auf Sparanträge bei kleineren Einzelposten verzichtet.
Aus all diesen Gründen fordern wir Sie wie jedes Jahr auf: Realisieren Sie endlich, wie es um die Finanzen unserer Stadt bestellt ist. Und hören Sie endlich auf, teure Prestigeprojekte anzustoßen, die wir uns im Grunde genommen gar nicht leisten können.
Schalten Sie mal zwei Gänge runter und besinnen sich darauf, dass wir mit vielen kleinen, oft garnicht teuren Maßnahmen die Attraktivität unserer Stadt nachhaltig steigern könnten.
Die Herausforderungen in den nächsten Jahren sind groß genug, auch ohne dass Sie uns mit Ihrer Ausgabenpolitik wieder an den Rand einer Zwangsverwaltung bringen.
Meine Fraktion wird sich jedenfalls nicht an Ihrem ‚weiter-so‘ beteiligen, und deshalb werden wir konsequenterweise auch gleich dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2021 unsere Zustimmung versagen.
Haushaltsrede Knut Letzel, Fraktionsvorsitzender B90/DIE GRÜNEN zur StVV am 10.12.2020 – Es gilt das gesprochene Wort