Rede zum Haushalt 2018
Gestütsschließung war bestimmendes Thema 2017
Ein wichtiges – wenn nicht gar das wichtigste – Thema des vergangen Jahres war die geplante Schließung des Landgestüts. Das hat viele andere, für Dillenburg wichtige Themen an die Seite gedrängt. Alle Parteien – einschließlich der Ministerin – haben sich hier nicht wirklich mit Ruhm bekleckert: Das monatelange Schweigen des Bürgermeisters, der CDU-Fraktionsspitze und des Stadtverordnetenvorstehers nach einem ‚geheimen‘ Gespräch im Umweltministerium hat ein gemeinsames Vorgehen gegen die Schließung über ein halbes Jahr behindert. Schließlich wussten sie seit November letzten Jahres von den Schließungs-Plänen – und hatten die Aufforderung von Ministerin Hinz im Gepäck, eine Stellungnahme für die Stadt Dillenburg abzugeben.
Grüner Stadtverband erst im Mai informiert
Wir Dillenburger Grüne wurden dann erst Mitte Mai von Frau Hinz in einem Gespräch über die Sachlage informiert. Daraufhin haben wir bis Juni vergeblich auf eine öffentliche Stellungnahme seitens des Umweltministeriums oder des Bürgermeisters gewartet. Ohne die wollten wir die für alle Dillenburger Bürgerinnen und Bürger wichtige Information nicht öffentlich machen. Dadurch haben wir leider noch mehr Zeit verloren, in der wir uns schon für den Erhalt des Landgestüts hätten engagieren können; und das werfen wir uns heute selbstkritisch vor.
Nach wie vor sind wir für den Erhalt der für Dillenburg prägenden Einrichtung, wenn auch nicht zu jedem Preis: die Aufgabe der Zucht und den Verkauf der Hengste akzeptieren wir nur ungern – das war aber bereits im August in dem gemeinsamen Gespräch mit dem Ministerium so besprochen worden, oder – je nach Lesart – vom Ministerium so vorgegeben worden. Die Gespräche über den weiteren Fortgang und weitere Planungen müssen deshalb jetzt absolut offen und transparent stattfinden. Die eingesetzte Arbeitsgruppe mit allen Beteiligten und Fachleuten der verschiedenen Professionen ist hier ein erster richtiger Schritt.
So genanntes ‚Fachmarktzentrum‘ zerstört letzte Geschäfte in der Innenstadt
Aber auch andere wichtige Themen haben das vergangene Jahr bestimmt. So zum Beispiel das geplante ‚Fachmarktzentrum‘ am Stadiongelände: Qasi als ‚Abfallprodukt‘ der geplanten Bebauung des Maibach-Geländes entstanden, wird dieser ‚Sargnagel des Dillenburger Einzelhandels‘ Stück für Stück nach vorne getrieben, ohne dass auch nur einer der Beteiligten des Politikbetriebes noch nach der Sinnhaftigkeit fragt.
Erste, ebenso überflüssige wie schmerzhafte Auswirkung war die Schließung des Edeka-Lebensmittelmarktes in der Maibachstraße – ein herber Verlust von Lebensqualität für die Bewohnerinnen und Bewohner der Innenstadt.
Dann kam eine Offenbarung nach der nächsten ans Tageslicht: Die Verkehrssituation: ungeklärt; die Fußgängeranbindung: ungeklärt; die Situation der Vereine, die das Stadion nutzen: ungeklärt. Gleiches galt auch für die Nutzer des Hartplatzes und den Verbleib des Wertstoffhofes: beides ungeklärt. Und die Frage der Übernahme der entstehenden Kosten: ebenfalls ungeklärt…
Stadt legt drauf – Nutzen nicht erkennbar
Zwischenzeitlich sind zwar die meisten dieser Punkte geklärt, aber eindeutig zu Lasten der Stadt. Im Haushalt für 2018 tauchen die ersten größeren Brocken auf: Gehweg Siegener Straße: 50 T €, Umbau Knoten Obertorbrücke: 550 T €, Ersatzneubau für den Hartplatz: vorsichtig geschätzte 600 T€, zusätzliches Sportheim: ebenfalls vorsichtig geschätzte 350 T €, Abrisskosten Tennishalle: 327 T €, und, und, und. Das summiert sich insgesamt auf knapp 2 Mio. €.
Dagegen stehen vermutlich Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf in Höhe von 1,4 Mio. €. Und jetzt wird klar: die Stadt muss am Ende des Tages noch reichlich Geld drauflegen, weil der Erlös des Grundstücksverkaufes an den Investor bei weitem die entstehenden Folgekosten nicht decken wird. Und das für ein Fachmarktzentrum, das schon lange keines mehr ist: außer der vagen Zusage eines großen Lebensmittel-Vollsortimenters – das wäre der dritte in der Kernstadt – ist beim Kehraus nur noch ein fader Abklatsch an Billigläden von den großen Versprechungen übrig geblieben.
Niemand in Dillenburg – außer Ihnen hier in der Stadtverordnetenversammlung – spricht sich für dieses so genannte Fachmarktzentrum aus. Es entsteht der Eindruck, dass Ihnen die Existenz der Geschäfte in der Innenstadt ziemlich egal ist – und Sie deren Schließung sehenden Auges in Kauf nehmen, nur um die kurzfristigen Profitinteressen einer Investorengruppe zu befriedigen.
Haushalt 2018 belastet Bürgerinnen und Bürger auf Jahrzehnte
Mit gewohnt großen Worten hat Bürgermeister Lotz den Haushaltsentwurf für 2018 in das Stadtparlament eingebracht und die Vorteile verkündet. Wie in den vergangenen Jahren soll im Ergebnishaushalt ein Überschuss erwirtschaftet werden. Sollte das so eintreffen, wäre das in der Tat positiv. Und die Stadt könnte bald aus dem Schutzschirm des Landes Hessen entlassen werden.
Das hört sich erst einmal gut an. Aber nur bei oberflächlicher Betrachtung. Schauen wir hinter die Zahlen, so stellen wir fest, dass dieses Ziel mit massiv höheren Belastungen der Bürgerinnen und Bürger – aber auch der Unternehmen – bitter erkauft ist: Gebühren- und Steuererhöhungen, insbesondere der Grundsteuern A und B, denen niemand entrinnen kann, weder Mieterinnen und Mieter, noch Hauseigentümer.
Ausgehend von 280 Prozentpunkten vor dem Schutzschirm erreicht der Hebesatz im Haushalt 2018 stattliche 495 Punkte. Nur zum Vergleich: Der Schnitt im Kreis liegt hier bei 350 Punkten. Damit sind wir – wenigstens in diesem Bereich – zusammen mit der Stadt Wetzlar im Kreis an der Spitze, und hessenweit liegen wir damit ebenfalls weit im oberen Drittel.
Parteien und Bürgermeister haben aus Fehlern nichts gelernt
Wir verschweigen nicht, dass auch wir Grünen anfangs moderaten Erhöhungen zugestimmt haben. Dillenburg hat viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Dieser Fehler war und ist nur mit Einnahmeerhöhungen zu beheben, weil die aufgehäuften Schulden getilgt werden müssen. Wir haben dazu aber auch immer gesagt, dass diese Zustimmung mit der Forderung verbunden ist, die überbordende Ausgabenpolitik zu beenden – und die Bedürfnisse den Möglichkeiten anzupassen. Bis heute ist das durch die Mehrheit dieses Hauses nicht passiert.
Auch im Haushalt 2018 können wir da keine Besserung erkennen. Durch den Beitritt zum Schutzschirm konnten seinerzeit Kassenkredite von ca. 11 Mio. € abgelöst werden. Selbst dieser Entschuldungseffekt ist längst verschleudert; der neue Stand der Kassenkredite – und hier sei nochmal angemerkt, dass diese ausschließlich zur Finanzierung von Ausgabespitzen, und nicht zur Dauerfinanzierung städtischer Ausgaben dienen dürfen – der neue Stand der Kassenkredite liegt bei 19 Mio. €. Und das in Zeiten, bei denen die finanzielle Entwicklung der Stadt aktuell auch von einigen Unbekannten abhängt: So wissen wir noch nicht, wie sich die Freistellung der Kindertagestätten-Gebühren für eine sechsstündige Betreuung auf den Haushalt auswirkt.
Offen ist auch, ob Dillenburg an der „Hessenkasse“ teilnehmen wird, um die Kassenkredite Dillenburgs vollständig abzulösen. Hier müssten wir 25 Euro je Einwohner jährlich an Tilgung an das Land zahlen. Damit käme ab 2019 eine Summe von rund 600 000 Euro im Jahr auf uns zu. Auch das müssen wir irgendwie stemmen. Und auch das geht nicht mit dem ewigen ‚weiter so‘.
Aber auch die längerfristigen Schulden steigen von Jahr zu Jahr weiter; mit diesem von Ihnen vorgelegten Haushaltsentwurf um rund 4,2 Mio. € auf über 22 Mio. €. Wir sind damit nicht mehr weit von dem Schuldenstand vor dem Beitritt zum Rettungsschirm entfernt.
Keine Mehrheit für vernünftige Ausgabenpolitik in Sicht
Wir Grünen haben in den letzten Jahren immer wieder gegen die Ausgabenpolitik argumentiert und gestimmt. Wir haben auch Einsparmöglichkeiten bei laufenden Kosten aufgezeigt – sei es bei den Bädern, sei es bei der Stadthalle, sei es bei den Dorfgemeinschaftshäusern. Dafür haben wir viel Kritik einstecken müssen. Jeder mag sich sein Urteil bilden und überlegen, ob es wirklich schlimmer ist, dass mal seltener gemäht und der Natur mehr Raum gelassen wird, oder dass mehr Schulden gemacht werden, die unsere Kinder und Enkel abzustottern haben.
Das mögliche Verlassen des Schutzschirmes im nächsten Jahr kann nicht bedeuten, dass Dillenburg ‚über den Berg‘ ist – im Gegenteil: an der Haushaltspolitik hat sich nichts geändert. Weiter werden große Investitionen in Aussicht gestellt, die Dillenburg auf Dauer finanziell gegen die Wand fahren. Einige Beispiele sind nur: der Neubau einer Stadthalle mit weit über 10 Mio. €, Sanierung des Aquarena-Bades mit über 3 Mio. €, die Gewerbegebietsentwicklung Hellrain mit 1,6 Mio. €, die vorhin schon beschriebene, mit unabsehbaren Kosten verbundene Errichtung eines Fachmarktzentrums, und, und, und…
Unkalkulierbares Finanzrisiko bei steigenden Zinsen
Wir fragen Sie und uns seit Jahren: wann findet hier endlich ein Umdenken statt? Sie sagen uns seit Jahren: ‚Aber das hat doch keine Auswirkungen auf den Ergebnishaushalt.‘ Und wir sagen immer wieder: ‚Hat es doch‘; durch höhere Zinsen und Tilgung und die Abschreibungen belasten wir die zukünftigen Generationen immer noch zusätzlich. Seit Jahren sind in diesem Hause für eine vorausschauende Sparpolitik keine Mehrheiten zu bekommen. Das hat sich bei allen wesentlichen Beschlüssen zu kostenintensiven Vorhaben der Stadt auch in diesem Jahr wieder gezeigt. Deshalb haben wir konsequenterweise bei den Haushaltsberatungen mal ganz auf Sparanträge bei Einzelposten verzichtet.
Lotz verspricht unbezahlbare Luftschlösser in Manderbach
Aber selbst der charmante Antrag der SPD, auf der Grundlage der sinkenden Kreisumlage wenigstens in diesem Jahr auf eine Erhöhung der Grundsteuer A und B zu verzichten, hat keinen Rückhalt bei der Mehrheit aus CDU, FDP und BfD gefunden. Und als würde es ab morgen wieder selbst gedrucktes Geld aus der Stadtkasse in Hülle und Fülle geben, schwärmt Bürgermeister Lotz seit vorletzter Woche von einem ‚großen Wurf‘ in Manderbach: dem Neubau eines Dorfgemeinschaftshauses mit Mehrzweck-Turnhalle, einem zweiten Sportlerheim und allerlei Annehmlichkeiten für die Manderbacher Bürgerinnen und Bürger rund um einen zweiten Fußballplatz – direkt neben einem, der ab kommendem Jahr bereits mit städtischem Zuschuss komplett saniert wird.
Wir würden es den Manderbachern gönnen, allein: wir können es nicht bezahlen.
Aus Schaden nichts gelernt, kann man da nur sagen. Meine Fraktion wird sich – wie schon in den vergangenen Jahren – sicher nicht an dieser fortgesetzten Ausgaben-Olympiade beteiligen; deshalb werden wir dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2018 nicht zustimmen.
Gestatten Sie mir zum Schluss noch einige Anmerkungen in eigener Sache:
Sie haben alle mitbekommen, dass wir personelle Veränderungen innerhalb unserer Fraktion haben. Volkmar Nix hat das Wesentliche zum Hintergrund in seiner persönlichen Erklärung bereits gesagt.
Ich teile seine Kritik an dem Umgang miteinander in diesem Hause ohne Einschränkung: Statt Diskussionen um die Sache wird – gerade von Seiten einiger weniger CDU-Stadtverordneten – immer mehr mit persönlichen Angriffen gearbeitet, die schon lange das erträgliche Maß übersteigen. Das ist keine Art und Weise, wie Freizeitpolitikerinnen und -politiker mit sich umgehen lassen müssen.
Wendel ‚völlig entgleist‘
Die völlig unangemessenen verbalen Entgleisungen und persönlichen Angriffe des Stadtverordnetenvorstehers Achim Wendel in der Oktober-Sitzung haben dem dann die Krone aufgesetzt: Die sachlichen und begründeten Einlassungen von Volkmar Nix als ‚rumgeeiere‘ und ‚Schande‘ zu bezeichnen, war des höchsten Repräsentanten des Dillenburger Souveräns einfach unwürdig. Jede auch nur halbwegs souveräne Sitzungsleitung hätte Herrn Wendel dafür eine Rüge aussprechen müssen – in Dillenburg wird das aber einfach so hingenommen und bleibt wie selbstverständlich einfach so im Raum stehen.
Mir bleibt jetzt noch, Volkmar Nix im Namen meines Stadtverbandes und der Fraktion für seine immer sachbezogen-konstruktive Arbeit zu danken. Ich bedanke mich bei ihm für seinen langjährigen und engagierten Einsatz für eine lebens- und liebenswerte, für eine artenreiche und bunte Stadt.
Wir bräuchten mehr Menschen in diesem Haus, die nicht ihr Parteibuch über die Sache stellen, sondern sich mit solch einem Herzblut für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger einsetzen.
Ich bedanke mich bei ihm genauso wie bei unserem langjährigen Fraktionsvorsitzenden Bernhard Klement. Und ich hoffe, dass Sie alle in den bevorstehenden Tagen rund um das ‚Fest der Liebe‘ die Zeit finden, um sich auf die von Ihnen immer so hoch gehaltenen christlichen Werte zu besinnen – und Ihr Verhalten einmal selbstkritisch auf den Prüfstand stellen.