Wir freuen uns, dass in den letzten Wochen in der Dillenburger Gesellschaft, insbesondere dabei auch in den Facebook-Gruppen, eine rege Diskussion darüber entstanden ist, ob die Bewerbung für die Landesgartenschau 2027 eine gute Idee ist, welche Vorteile sie verspricht und wo auch eventuelle Gefahren liegen könnten.
In der Stadtverordnetenversammlung haben wir als einzige Fraktion deutliche Kritik an der Dillenburger Bewerbung zum Ausdruck gebracht und auch so abgestimmt. Warum sind nun ausgerechnet die GRÜNEN von allen Parteien gegen eine Landesgartenschau in Dillenburg? Dazu wollen wir hier einige unserer Sichtweisen darlegen. Uns ist dabei wichtig, dass wir weder hier noch sonst die Weisheit gepachtet haben. Also bitten wir um Kommentare – sei es mit Zustimmung, aber genauso gerne mit Widerspruch. Wir versprechen in jedem Fall, alle Kommentare zu lesen und soweit und so schnell wie möglich auch darauf zu antworten.
Landesgartenschauen an sich sind eine hervorragende Idee. Der Natur einen Platz inmitten der oft dicht besiedelten Gebiete zu geben, sie sichtbar zu machen und oft genug aus Betonwüsten im wahrsten Sinne blühende Landschaften zu machen – das sind wichtige Ziele auch und besondere von GRÜNER Politik. Gerade durch den Klimawandel wird es auch noch einmal wichtiger, dass Städte ergrünen und der Luftstrom in den Häuserschluchten frischen Wind bekommt. Ein grundsätzliches Nein zur Landesgartenschau wird man daher wohl kaum von einem oder einer GRÜNEN hören – warum dann also unsere Skepsis in Dillenburg? Darauf wollen wir in den folgenden Punkten genauer eingehen:
1. Die Machbarkeitsstudie
Als wir im Dezember des letzten Jahres das erste Mal von den Überlegungen, die Landesgartenschau 2027 nach Dillenburg zu holen, gehört haben, waren wir ein bisschen perplex. In den ganzen Jahren zuvor war das nie ein Thema gewesen und jetzt ging es Knall auf Fall. Genau eine Sitzung hatte die Kommunalpolitik Zeit, sich überhaupt zu beraten, ob eine Bewerbung sinnvoll wäre. Und das im ohnehin mit den Haushaltsberatungen gefüllten Dezember. Nun gut, zuerst sollte es nur um eine unverbindliche Willensbekundung gehen. Gleichzeitig sollte aber direkt in der gleichen Sitzung eine nicht ganz unbedeutende Summe Geld in den zu beschließenden Haushalt für 2020 eingestellt werden, um eine Machbarkeitsstudie durch ein geeignetes Landschaftsarchitekturbüro erstelle zu lassen. Diese Machbarkeitsstudie sollte nach Aussage der „Fördergesellschaft Landesgartenschauen Hessen und Thüringen mbH“ 40.000 bis 60.000 Euro kosten und ist für die abschließende Bewerbung erforderlich.
Uns ging das ganz einfach alles zu schnell – das erste Mal über ein Thema sprechen und gleich ein Jahresgehalt dafür springen lassen, ohne dass wir uns überhaupt mal Gedanken über die Gefahren und möglichen Hinderungsgründe gemacht hätten? Anderen Parteien mag eine solche Summe ja klein erscheinen; wir finden: das ist viel Geld für einen Schnellschuss.
Und mit dem „Schnellschuss“ sollten wir Recht behalten, denn inzwischen haben sich die entsprechenden Büros vorgestellt und die Stadtverordnetenversammlung hat sich in ihrer Juni-Sitzung für das teuerste entschieden: 90.658,00 Euro sollen jetzt insgesamt ausgegeben werden. Das sind selbst gegenüber dem Höchstwert der vorherigen Schätzung ganze 50% Aufschlag.
Übrigens wird uns gerne vorgehalten, die Studie sei doch in jedem Fall gut angelegtes Geld, selbst wenn man sich gar nicht um die Landesgartenschau bewerben würde oder die Bewerbung nicht erfolgreich verliefe. Immerhin stünden dort ja gute Ideen drin, wie man eine so große Veranstaltung in Dillenburg abhalten und was man noch in der Stadt verbessern könne. Auch wenn es überhaupt keine vergleichbare Veranstaltung zu einer Landesgartenschau geben könnte – denn die läuft ein halbes Jahr und damit länger, als jeder Hessentag. Und sicher, die ein oder andere Idee wird es darin sicher zu entdecken geben.
Aber nur für die Hoffnung auf ein paar Ideen würden wir keine 90.000 Euro ausgeben. Oder anders gesagt: wenn wir ein Konzept für die Weiterentwicklung unserer Stadt haben wollen, dann sollten wir uns vorher erstmal klar werden, welche Fragen wir darin geklärt haben wollen. Und nicht ein Konzept für eine botanische Groß- und Dauerveranstaltung beauftragen, über deren Sinn und Unsinn wir uns noch gar nicht im Klaren sind.
2. BesucherInnenzahlen
Die Entwicklung der Besuchszahlen der Hessischen Landesgartenschauen bringt eine nächste Sorge mit sich. 1994 in Fulda waren es noch über 1 Millionen BesucherInnen, 2002 in Hanau noch 800.000, 2006 in Bad Wildungen kamen 436.000 BesucherInnen. 2010 in Bad Nauheim waren es dann 521.000, in Gießen 2014 504.000 und vor zwei Jahren in Bad Schwalbach gerade mal noch rund 300.000 BesucherInnen. Das Interesse scheint also stetig abzunehmen.
Und gleichzeitig wären selbst die 300.000 BesucherInnen aus Bad Schwalbach noch eine gewaltige Herausforderung für Dillenburg. Zwar streckt sich der Zeitraum der Landesgartenschau gewöhnlich von April bis Oktober, aber dennoch müssen so viele Menschen erstmal versorgt werden. Es braucht Parkplätze für Autos und Busse, für die wir in Dillenburg kaum Platz haben. Die BesucherInnen müssen Angebote für die Verpflegung bekommen und doch steht es um die heimische Gastronomie nicht gerade rosig. Und von den Übernachtungsmöglichkeiten in Dillenburg haben wir da noch gar nicht angefangen.
Man weiß also gar nicht, was man sich hier wünschen soll: Viele BesucherInnen, die für die Finanzen der Landesgartenschau unbedingt notwendig wären, oder weniger BesucherInnen, damit wir diese überhaupt angemessen beherbergen können.
3. Wohin mit Menschen und Pflanzen
Dillenburg wäre nicht die erste kleinere Stadt, die eine Landesgartenschau ausrichten würde. Daher zuerst einmal Vergleich nach Einwohnern und Fläche:
Fulda hat 68.000 Einwohner auf 104km2, Hanau hat 96.000 Einwohner auf 76km2, Bad Wildungen hat 17.000 Einwohner auf 120km2, Bad Nauheim hat 32.000 Einwohner auf 32km2, Gießen hat 88.000 Einwohner auf 72km2 und Bad Schwalbach hat 11.000 Einwohner auf 40km2. Unser Dillenburg kommt auf 23.000 Einwohner auf 83km2
Das klingt erstmal gar nicht so schlecht – aber etwas fällt doch direkt auf: Alle kleineren Kommunen hatten ein „Bad“ vor dem Namen – Wildungen, Nauheim und Schwalbach. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Städte schon einen Startvorteil hatten, was die Gestaltung ihrer innerstädtischen Grünanlagen angeht. Außerdem sind bei allen bisherigen Landesgartenschauen die Kernstädte die tragenden Kräfte der Landesgartenschau gewesen – Dillenburgs Fläche aber ist zur überwältigenden Mehrheit nicht in der Kernstadt, auch nicht in den Ortsteilen, sondern im unerschlossenen Wald zu finden.
Zwar ist beispielsweise das Landgestüt und das Land Hessen schon in die Planungen involviert, um die Flächen an der Wilhelmstraße einbinden zu können. Und natürlich ist unser Schlossberg ein Pfund, mit dem wir wuchern können. Aber alles in allem sind unsere freien Flächen klein. Und wenn wir nun Stimmen vernehmen, die vom alten Güterbahnhof als möglicher Fläche für die Landesgartenschau träumen, kommen wir aus dem Wundern gar nicht mehr heraus – zu hoch ist dort die Belastung mit Schadstoffen und Weltkriegsblindgängern, gleichzeitig überlegt auch immer noch die Deutsche Bahn, dort ein Logistikzentrum zu errichten. Keine guten Voraussetzungen, um dort Blumen zu pflanzen.
Eine Ausrichtung rein auf die Kernstadt kann aus unserer Sicht daher überhaupt nicht funktionieren. Aber unsere Ortsteile liegen eben auch recht verstreut, auch hier sind die Parkplätze nicht gerade üppig und der Bus- und Bahnverkehr kann in der bisher vorhandenen Ausbaustufe auch keine wirkungsvolle Ergänzung sein.
Trotzdem würden wir uns bei den Flächen noch überzeugen lassen, denn genau das könnte eine nun beauftragte Machbarkeitsstudie prüfen und fachmännisch darlegen. Daher hätten wir der Studie, so teuer sie auch wird, vielleicht noch zustimmen können, wenn nicht insgesamt das Damoklesschwert der Finanzen über der Landesgartenschau hinge:
4. Am Ende stehen rote Zahlen
Zuerst einmal lohnt es sich, einen Blick auf die reinen Ergebnisse der Landesgartenschauen zu werfen. Bad Nauheim erwirtschaftete 2010 schon einen Verlust von 1 Millionen Euro. In Gießen, die 2014 die Landesgartenschau ausrichteten, steht der Abschlussbericht noch immer aus – jedoch geht man auch hier von „wohl zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro“ aus. Und in Bad Schwalbach, der letzten Landesgartenschau vor zwei Jahren, hat allein die Kommune selbst ein Defizit von mehr als 3,6 Millionen Euro eingefahren. Dabei nicht mitgerechnet sind die Verluste oder die hohen Investitionen in den Eigenbetrieben wie dem Staatsbad oder der Stadtwerke, die am Ende durch fehlende Ausschüttungen auch wieder die Stadt belasten.
Die Investitionen sind dann auch deutlich schwerwiegender, als die schon nicht gerade kleinen Defizite auf den ersten Blick vermuten lassen. Das Land Hessen zahlt eine „Anteilsförderung am Investitionshaushalt“ von 3,5 Millionen Euro, die die ausrichtende Stadt aber mindestens in gleicher Höhe ebenfalls aufbieten muss.
In Bad Schwalbach hat das offensichtlich nicht ausgereicht, denn dort wurden allein von der öffentlichen Hand weitere 15 Millionen Euro investiert – nach Abzug aller Förderungen des Landes (dazu gleich noch mehr) waren es immer noch 7,4 Millionen Euro. Und die Zahlen bleiben auch im Blick in den Rückspiegel beängstigend: In Gießen stehen 11,4 Millionen Euro Investitionen zu Buche, in Bad Nauheim 8,4 Millionen, in Bad Wildungen 6,4, in Hanau 13,5 Millionen und in Fulda 8,9 Millionen.
Wer schon mal ein bisschen mit Buchhaltung zu tun hatte, könnte jetzt dagegenhalten: Ja, aber die Investitionen stehen ja auch mit gleichem Wert anschließend in der Bilanz der Stadt – es wird also Vermögen geschaffen. Das stimmt auch auf den ersten Blick. Aber die Abschreibungen und den Zinsdienst für Investitionen muss die Stadt Jahr für Jahr im Ergebnishaushalt darstellen. Was das genau heißt, hatten wir schon mal am Beispiel der Stadthalle erklärt:
„Wenn wir also eine Stadthalle bauen, ist die im ersten Jahr genau das Wert, was wir dafür ausgegeben haben. Somit entsteht erstmal durch die Investition kein Vermögensabfluss. Aber sobald ein Wertgegenstand benutzt wird oder altert, sinkt sein Wert. Und um diesen Wertverlust auszugleichen, müssen wir Abschreibungen im gleichen Umfang erwirtschaften. Machen wir doch mal ein simples Rechenbeispiel auf, damit es vielleicht auch bei Ihnen Klick macht: Bleiben wir bei den 8 Millionen Euro für die Stadthalle, und rechnen aus, wie viel Belastung den Bürgerinnen und Bürgern dadurch wirklich entsteht: Andere, vergleichbare Stadthallen werden über 25 Jahre abgeschrieben, sodass wir allein für Abschreibungen 320.000 Euro pro Jahr erwirtschaften müssen. 320.000 Euro, um das plastisch zu machen, sind in Dillenburg 40 Prozentpunkte mehr in der Grundsteuer. Und dann kommt ja noch der Zinsdienst dazu: Rechnen wir mal mit 2 Prozent jährlichen Zinsen, dann werden auf die 8 Millionen Euro über 2,2 Millionen an Zinsen fällig. Auf 25 Jahre gerechnet sind das jährlich 88.000 Euro – und damit die nächsten 10 Prozentpunkte mehr in der Grundsteuer.“
Das Gleiche oder sogar Schlimmeres würde bei der Landesgartenschau auch passieren – und vergleicht man die Investitionen aus den bisherigen Landesgartenschau-Städten, könnten die hier oben gerechneten 8 Millionen Euro Investitionssumme, die für die Stadthalle genannt wurden, sogar noch zu gering sein als Vergleichsgröße.
In der Dillenburger Stadtverordnetenversammlung hören wir von den anderen Parteien ebenso wie von Bürgermeister Lotz darüber hinaus immer wieder das Argument, über die eigentlichen Förderungen des Landes hinaus bekäme man mit einer Landesgartenschau auch leichteren Zugriff auf andere Förderprogramme. Nur bleibt man uns bisher Belege dafür schuldig – und wir halten es auch nicht für wahrscheinlich, dass diese Belege überhaupt existieren. Denn die „anderen Förderprogramme“ des Landes sind schon allseits bekannt und die Kriterien, wer davon Förderung in welcher Höhe bekommt, sind beileibe nicht so löchrig, dass hier von höchster Ebene interveniert werden könnte, um die jeweilige Ausrichtungsstadt der Landesgartenschau großzügiger zu bedenken. Aber selbst, wenn es so wäre, ließen sich die Förderungen ja vergleichsweise leicht in den jeweiligen Abschlussberichten der bisherigen Ausrichter feststellen. Uns ist das jedoch nicht gelungen. Damit ergibt sich die simple Konsequenz: All diese Förderprogramme, könnten von der Stadt Dillenburg auch einfach ohne die Landesgartenschau angezapft werden, wenn wir uns auf zielgerichtete Projekte festlegen würden.
Es bleibt also festzuhalten: Die Landesgartenschau kostet Geld, viel mehr Geld, als sie uns einbringt. Dabei sind übrigens Landesgartenschauen beileibe kein Schnäppchen für die Besucherinnen und Besucher: Bei der letzten Ausgabe in Bad Schwalbach kostete eine Tageskarte für Erwachsene 17€, für Familien 23 bis 40€. Eine Dauerkarte für das komplette Halbjahr kostete 110 € für Erwachsene und für Kinder immer noch 55€.
Und natürlich ist das eine Entscheidung, die man als Kommune treffen kann: Wenn man sich durch die höhere Bekanntheit im Land mehr Tourismus in der Zukunft verspricht, oder wenn man durch die ja zweifellos stattfindende Aufwertung der städtische Infrastruktur etwas Schönes leisten möchte – all das sind völlig legitime Ziele. Aber die muss man sich auch leisten können, denn das Land hält sich aus den Ergebnishaushalten komplett heraus. So lange das Land die an sich gute Idee der Landesgartenschauen nicht mit mehr Geld unterstützt, bleibt am Ende immer die Stadt auf den Verlusten sitzen.
Wenn also eine Stadt Haushaltsüberschüsse einfährt und schon seit Jahren das Geld auf dem Konto wachsen sieht, dann kann eine Landesgartenschau eine gute Investition sein. Dillenburg aber ist chronisch pleite und hat schon jetzt wieder einen höheren Schuldenstand als vor der Entschuldung durch den Kommunalen Rettungsschirm. Außerdem wissen wir zum aktuellen Zeitpunkt noch so gut wie nichts darüber, wie die kommunalen Finanzen nach Corona aussehen werden. Werden wir uns überhaupt noch irgendetwas leisten können, oder machen wir schon mit den öffentlichen Pflichtaufgaben wie der Kinderbetreuung Verlust?
Das Geld kann also nicht aus der Schatzkammer kommen, sondern bezahlt werden die Defizite am Ende von den Bürgerinnen und Bürgern. Und das heißt in Dillenburg, wie in jeder anderen Kommune auch: mit Erhöhungen der Grundsteuer und der Gewerbesteuer, die beide in Dillenburg schon jetzt schmerzlich hoch sind.
5. Und nun, Dillenburg?
Wir hoffen, wir konnten damit unsere Bedenken in Sachen Landesgartenschau-Bewerbung aus Dillenburg einmal im Ansatz darlegen. Wer sich für Mehr dazu interessiert, kann sich gerne einmal auf eine ausführliche Netz-Recherche beispielsweise zu Gießen oder zu Bad Schwalbach machen – hier gibt es noch viel mehr kritische Punkte, die dortige Bürgerinnen und Bürger anzumerken hatten. Soweit wollten wir es aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht drehen. Unsere Bedenken im Moment bleiben:
- Die ganze Bewerbung ging uns zu schnell und wurde noch dazu teurer, als geplant
- Die Entwicklung der Landesgartenschau in BesucherInnenzahlen und Kosten scheint nach unten zu zeigen
- Dillenburg hat nicht genug Fläche, um die Ausrichtung zu ermöglichen
- Und wir können uns die gigantischen Investitionen und den Verlust aus der Landesgartenschau schlicht nicht leisten
Aber das ist nur unsere Sicht – was denken Sie? Wir würden uns freuen, wenn Sie uns Ihre eigene Sichtweise mitteilen würden. Schreiben Sie uns hier auf der Internetseite in den Kommentaren unter diesem Beitrag, oder kommentieren Sie den Beitrag in den Dillenburger Facebook-Gruppen. Wir haben es oben schon versprochen und lassen uns daran messen: Wir versprechen in jedem Fall, alle Kommentare zu lesen und so schnell wie möglich auch darauf zu antworten.
Ihre Dillenburger GRÜNEN