Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
bei der Vorbereitung für heute Abend habe ich nochmal einen Blick in die Haushaltsrede meiner Fraktion aus dem letzten Jahr geworfen. Und ich muss feststellen, dass man diese fast genauso hätte halten können:
Wir haben immer noch die laufenden Großbaustellen, die den Haushalt enorm belasten und haben schon wieder einen defizitären Haushalt. Wichtiger und einziger Unterschied ist, dass wir den Haushalt im vergangenen Jahr noch durch Auflösung der Rücklagen ausgleichen konnten. Man ist in diesen bewegten Zeiten zwar weiterhin dankbar für Konstanten im Leben. Allerdings fielen mir angenehmere Konstanten ein, als ein Haushalt, der wie gewohnt in einer massiven Schieflage steht.
Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich aber dann doch einiges geändert:
Die Rücklagen sind inzwischen weg. Aber das war ja so gewollt. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben in den letzten Jahren ohne Rücksicht alle Investitionen die irgendwie auf der Tagesordnung aufgetaucht sind, durchgewunken. Und Sie haben - nach dem Prinzip Hoffnung -versäumt, die Weichen Richtung Haushalts-Konsolidierung zu stellen. Auch wenn sich die demokratischen Fraktionen untereinander in unterschiedlichen Dingen häufig auf einen Kompromiss einigen konnten: uneinig ist man sich dann aber spätestens bei den Auswirkungen und dem Umgang mit den Groß-Investitionen auf den Haushalt. Das eine Priorisierung, einzelner, teurer Maßnahmen, die schon Mitte des Jahres diskutiert und beschlossen werden sollte, bis heute nicht umgesetzt ist, lässt uns an der Umsetzbarkeit der vorliegenden Haushaltsplanung erheblich zweifeln. Seriöse Finanzplanung sieht anders aus!
Lassen Sie mich beispielsweise ein paar Bemerkungen zu den Investitionen machen: Die zeitlich verzögerte Auswirkung von Abschreibungen, Zinsen und Abtrag verleitet Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, leider nur allzu gerne dazu, hier gar keine Einsparversuche starten zu wollen.
Und solange wir mittlere und große Investitionen nicht auf ihre absolute Dringlichkeit prüfen, solange wir keine belastbaren Kriterien auf deren Auswirkungen für alle Bürgerinnen und Bürger entwickelt haben, werden wir wohl auch weiterhin immense Schulden machen. Und dies – in aller Deutlichkeit - zulasten der nachfolgenden Generationen, den nachkommenden Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt. Wir arbeiten daran, so bald wie möglich wieder ein Schwimmbad zu haben. Das ist gut so.
Aber wir haben ein ganzes Bündel an Aufgaben – teuren Aufgaben – vor Uns:
Wir bemühen uns zum Beispiel darum, dass demnächst in der sanierten Stadthalle einige wenige Veranstaltungen im Jahr stattfinden können. Die Stadthallensanierung wird allerdings nie in einen Zusammenhang mit anderen Bauprojekten für Versammlungsstätten gestellt. So zum Beispiel mit dem Wiederaufbau der Glückauf-Halle.
Hier droht, wie wir schon im letzten Jahr befürchtet und gesagt haben – ebenfalls eine enorme Kostenexplosion. „In der Zukunft wird alles besser“. Das scheint der Maßstab des Bürgermeisters und der CDU-Fraktion zu sein. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, soll das wirklich unser Motto sein? Und unsere einzige Handlungsmaxime? Wir ziehen unsere Ideen ohne Rücksicht durch, aber das zu Lasten unserer Kinder und Kindeskinder? Meinen Sie ehrlich, dass diese es uns danken werden? Werden sie nicht eher sagen: „Ihr habt es krachen lassen. Und wegen eurer Schulden- und Ausgabenpolitik können wir jetzt nur noch die Pflichtaufgaben erledigen. Für alles andere ist leider kein Geld mehr da...“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Verhalten ist nicht darstellbar; das Geld ist einfach nicht da – das wissen wir doch alle!
Wir müssen endlich damit anfangen, die vielen Großinvestitionen ernsthaft und in ihrer Gesamtheit zu überdenken und auf den Prüfstand zu stellen. Die Zeiten des „Wünsch dir was“ sind leider vorbei; sie haben dem „Lass‘ dich überraschen“ Platz gemacht. Es bedarf aus unserer Sicht einer klaren Priorisierung. Und es ist auch der Mut gefragt, Projekte zu „schieben“, kleinteiliger anzugehen – und vielleicht auch, sich von mancher Idee nicht ganz, aber auf absehbare Zeit zu verabschieden.
Wie wir gerade wieder feststellen, bringt es auf Dauer ja nichts, den unterschiedlichsten Interessensgruppen eine möglichst zeitnahe Abarbeitung der gewünschten Projekte in Aussicht zu stellen. Zumindest nicht, wenn hierfür keine realistische, finanzielle Grundlage besteht.
Und ihr immer gleiches Vorgehen in dieser Sache bringt auch nichts: Sie ziehen den Kopf ein wenig ein, ziehen die Schultern ein bisschen höher, dann wird’s schon nicht so schlimm werden.
Und um eine seriöse, nachhaltige Finanzierung – und auch die „Altlasten“ – kann man sich ja in der nächsten Legislatur kümmern. Oder eben auch nicht – wie gehabt.
In das nächste Kalenderjahr werden wir so auf jeden Fall mit einem Haushalt starten, der mit knapp 6 Millionen Euro im Defizit ist. Man könnte ein solches Verhalten auch als Vorgriff auf den nahenden Kommunalwahlkampf begreifen. Aber dafür ist das Thema zu wichtig!
Sehr lobenswert ist deshalb die Idee des Fraktionsvorsitzenden der CDU massiv „mehr Kohle“ für die Kommunen einzufordern. Dem schließen wir uns ausdrücklich an. Herr Nickel, lassen Sie uns von ersten Schritten zu konkreten Ideen zur Umsetzung dieser Forderungen wissen. Wir werden sie vermutlich gerne gemeinsam gehen. Aber solange keine Erfolge absehbar sind: Lassen sie uns endlich verantwortungsvoll sein! Lassen sie uns versuchen, Positionen zu finden, die sich durch Reduzierung oder Wegfall nennenswert positiv auf den Haushalt auswirken.
Lassen Sie uns endlich erste Schritte in Richtung eines belastbaren Fahrplans für die Investitionen der Zukunft gehen.
Es muss endlich Schluss sein damit, auf das Wohlwollen der Genehmigungsbehörden zu hoffen. Unser gemeinsames Ziel muss sein, eigenverantwortlich handlungsfähig zu sein. Aber leider zeichnet sich eine solch konstruktive Herangehensweise – wenn ich an die Diskussionen im Haupt- und Finanzausschusses vergangene Woche denken – nicht wirklich ab. Stattdessen wird – wie so oft – im laufenden Jahr im „klein klein“ geschaut, wo man Mini-Beträge einsparen kann – statt an die substantiellen Posten zu gehen. Aber man könnte sich ja unbeliebt machen.
Wie sich im Haupt- und Finanzausschuss gezeigt hat, setzen Sie bei den Einnahmen und Investitionen auf Kontinuität – aus Ihrer Sicht ok.
Aber es verändert an der bedrohlichen Wirklichkeit der städtischen Finanzen kaum etwas, wenn zur Kompensation die angenommenen Zahlen für die Zukunft einfach mal geschönt werden. Hier hilft nur eine echte Haushaltskonsolidierung – aber der verweigert sich ja die Mehrheit in diesem Hause seit Jahren beharrlich.
Aber jetzt mal zu etwas Positivem: ich finde, dass sich das konstruktive Miteinander über die Fraktionsgrenzen hinweg in anderen Bereichen fortgesetzt hat.
Als die Instandsetzung des Donsbacher Bolzplatzes anstand, konnte nach Abstimmung untereinander ein guter Kompromiss gefunden werden.
Gleiches gilt auch für die Fortführung des Projektes „Ein Baum für jeden Bürger“.
Auch bei den sehr herausfordernden und komplexen Entscheidungen in diesem Jahr hat die große Mehrheit hier im Parlament der moralische Kompass nicht verlassen, und wir haben gemeinsam die richtigen Entscheidungen getroffen.
Allerdings lässt die Diskussionsfreude in den Sitzungen der Stadtverordneten leider nach, wenn von hinten rechts – größtenteils persönlich, und oft genug unsachlich und moralisch fragwürdig – auf Argumente und Diskussionsbeiträge reagiert wird.
Nur sehr wenige Kolleginnen und Kollegen halten dagegen – und führen die Auseinandersetzung – auch wenn man tatsächlich manchmal sprachlos über Inhalte und Diktion aus dieser Ecke ist. Umso stärker wird aber das Miteinander im demokratischen Diskurs unterstrichen, wenn Stadtverordnete dann klare Worte in der Auseinandersetzung finden.
Als Bilanz für dieses Jahr lässt sich festhalten:
Wir sparen eher mit Worten, wenn sie nötig wären, aber leider nicht beim Geldausgeben.
Ein substanzieller Diskurs zu den genannten Themen wäre sicherlich wünschenswert.
Gerade der Umgang mit den großen, finanziellen Herausforderungen durch die anstehenden Großprojekte könnte zielführend für eine realistische Finanzpolitik unserer Stadt sein. Dabei treten wir ausdrücklich nicht dafür ein, die Großprojekte alle einzustampfen. Vielmehr appellieren wir an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die finanzielle Situation unserer Stadt mal seriös in Relation zu den anstehenden Projekten zu setzen – und dies nicht – wie gewohnt – auf die lange Bank zu schieben.
Wir nehmen allerdings – ebenfalls wie gewohnt – zur Kenntnis, dass das von der Mehrheit des Hauses, aktuell, politisch nicht gewollt ist.
Deshalb stellen wir auch keine haushalts-relevanten Anträge dazu.
Aber Sie müssen uns dann auch zugestehen, dass wir aus diesem Grund einem Haushalt nicht zustimmen können, von dem bereits heute klar ist, dass er nicht genehmigungsfähig ist.
Und nur mit dem „Trick“ eines Haushaltssicherungskonzepts auf die
Hoffnung setzt, dass – wie durch ein Wunder – alle Folgen der globalen Entwicklungen von Kriegen, Ökonomie und Ökologie, aber auch der landespolitischen Situation sich in ihr Gegenteil verkehren. Und der eben leider auch noch zur Folge hat, dass wir von den Genehmigungen anderer abhängig sind.
Unser Ziel ist es, dass die Stadt finanziell handlungsfähig bleibt, und wir dadurch auch in den wirtschaftlich herausfordernden Zeiten für die kleinen, täglichen Verbesserungen in unserer Stadt sorgen können. Dafür werden wir auch weiterhin eintreten.
Ihnen, Frau Bellersheim, gilt wieder unser Dank für die Vorbereitung des vorliegenden
Haushaltsentwurfs. Den Mitarbeitern der Verwaltung, den Ressortleitern und auch dem Magistrat – also der Spitze der Verwaltung – möchten wir ausdrücklich unseren Dank für die Zusammenarbeit aussprechen.
Ihnen allen wünschen wir ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest, bleiben Sie hoffnungsvoll und vor allem gesund.
Falk Rathmann
Fraktionsvorsitzender